Die Idee, gebrauchte Seifenstücke aus Luxushotels zu rezyklieren, hatte die Baslerin Dorothée Schiesser schon vor einigen Jahren. Nun hat sich die Stiftung SapoCycle weiterentwickelt – seit 2021 werden auch Flüssigkosmetika eingesammelt. Die Stiftungsgründerin erzählt, wie es dazu kam.
Beim Start im Jahr 2014 haben zwölf Hotels mitgemacht. Nun sind es bereits 290 Partnerhotels in der Schweiz und Frankreich, die angebrauchte Seifenstücke sammeln und von SapoCycle rezyklieren lassen. Die rezyklierten Seifen gehen an Menschen in Not, die mit diesem Stück Seife etwas Würde und Zugang zu Hygiene erhalten. Für das Aufbereitungsverfahren wurde das «WohnWerk» an der Missionstrasse an Bord geholt, um beeinträchtigten Menschen eine sinnhafte Arbeit zu geben. Initiantin Dorothée Schiesser hatte immer den Anspruch, die Stiftung in eine nachhaltige Zukunft zu führen und das Projekt weiterzuentwickeln. Deshalb rezykliert SapoCycle nun auch Flüssigprodukte wie Shampoo, Conditioner und Duschgel aus kleinen, angebrochenen Milliliter-Flaschen.
GESCHÄFTSFÜHRER*IN BASEL: Wie kam es zu diesem Schritt? Oder anders gefragt: Wieso kam erst jetzt der Entscheid, auch Flüssigseife zu rezyklieren?
Dorothée Schiesser: Diese Idee hatte ich natürlich schon länger im Kopf. So einfach umsetzbar war sie aber nicht, denn als wir das Projekt starteten, gab es einiges zu bedenken: Aus bakteriologischer Sicht eignet sich Hartseife deutlich besser für eine Wiederverwertung und wir wollten ja Seifen produzieren, die armen Menschen auch wirklich eine verlässliche Hygiene ermöglichen. Also mussten wir erst weitere Abklärungen treffen und Tests im Labor durchführen. Dann haben wir mittels Umfrage den Puls bei den Partnerhotels gefühlt, die uns die Seifen liefern. Viele haben teilgenommen – und rund 90 Prozent der Betriebe gaben an, dass sie gerne auch Flüssigprodukte in einen nachhaltigen Prozess integrieren würden. Die Pandemie hat dazu geführt, dass viele Hotels auf kleine individuelle Flaschen umstellen mussten. Wir sammeln explizit nur angebrochene kleine Milliliter-Flaschen ein und nehmen aus hygienischen Gründen keine Flüssigseifen aus Seifenspendern- und pumpen entgegen.
Was hat sich dafür bei Ihnen im Produktionsprozess verändert?
Wir arbeiten nach wie vor mit dem «WohnWerk» zusammen. Flüssigseife zu rezyklieren, ist weniger aufwendig und benötigt keine speziellen Maschinen, wie dies etwa bei den Seifenstücken der Fall ist. Die einfacheren Abläufe ermöglichen uns, auch sehr stark beeinträchtigte Menschen zu beschäftigen, was für das «WohnWerk» ein Benefit ist. Viele der Mitarbeitenden blühen auf, wenn sie spüren, dass sie von uns gebraucht werden. Wichtig ist einzig, dass die Menschen sehr sauber arbeiten, gut angeleitet und begleitet werden. Wir mussten die Hygieneabläufe in der Produktion neu überdenken. Damit die wiederverwerteten Seifen den Qualitätsansprüchen genügen, führen wir auch immer wieder
bakteriologische Tests durch.
Was galt es sonst noch zu bedenken?
Logistisch kamen neue Herausforderungen auf uns zu. Angebrochene Seifenstücke werden in den Hotels in von uns bereitgestellten Behältern gesammelt und dann von einem Logistikpartner abgeholt. Bei den kleinen Seifen, Shampoos und Duschgel-Flaschen entsteht natürlich ein ganz anderes Volumen, ausserdem mussten wir uns auch um eine verträgliche Lösung für die Entsorgung der Plastikflaschen kümmern. Dank vieler Partnerschaften konnten wir alles in einen nachhaltigen Produktionskreislauf integrieren. Das Claraspital beispielsweise stellt uns sterile NaCl-Flaschen zur Verfügung, damit wir die Flüssigprodukte in saubere Ein-Liter-Behälter abfüllen können. Zudem haben wir uns
entschieden, die Flüssigkosmetika vorerst nur in der Region abzugeben – denn auch hier gibt es notbedürftige Leute, die sich insbesondere in der Pandemie über diese Unterstützung gefreut haben.
Wie hat die Pandemie Ihre Stiftung tangiert? Zeitweise waren ja die Hotels geschlossen.
Das war eine schwierige Zeit. Während die Nachfrage nach unseren Seifen stetig stieg, konnten wir nicht liefern, da die Produktion zeitweise stillstand. Als 2020 der erste Lockdown kam, hatten wir noch einige Reserven auf Lager, die aber schnell schwanden. 2021 stand dann die Produktion mehrheitlich still. Auch die Menschen im «WohnWerk» wollten sich verständlicherweise vor dem Virus schützen und blieben der Arbeit fern. So hatten wir während der Pandemie gespürt, wie sehr unsere Seifen gebraucht werden, leider waren aber just in diesem Moment keine Seifenstücke mehr rezyklier- und lieferbar.
Wie nehmen Sie die Zusammenarbeit mit den Hotels wahr?
Da stossen wir immer mehr auf offene Türen. Die Hotellerie steht aber auch in der Pflicht, denn der Gast fragt verstärkt nach, was ein Hotel im Bereich der Nachhaltigkeit tut, um einen Beitrag zur Umwelt zu leisten. So hat auch die Nachfrage nach Werbematerial zugenommen: Wir liefern Poster oder Banner, damit die Betriebe auf die Partnerschaft mit Sapo-Cycle hinweisen können. Seit wir die Dienstleistungen erweitert haben – wir holen die gesammelten Seifen im Hotel ab und stellen Sammelbehälter zur Verfügung –, gehen die Abozahlen stetig rauf. Die Hotels zahlen dafür einen vergleichsweise geringen Betrag, damit wir unsere Logistik- und Produktionskosten decken können. Das reicht aber nicht annährend aus, um längerfristig auf stabilen Beinen zu stehen.
Wo sehen Sie Anknüpfungspunkte für die Zukunft?
Nun geht es wirklich darum, finanzstarke Partner an Bord zu holen. Wir würden gerne eine weitere Stelle schaffen, um die vielen Anfragen zu bewerkstelligen. Dass sich die Hoteliers auch mit Spenden zu unserem Engagement bekennen, wäre wichtig, damit die Produktion weiterlaufen kann. Ich habe auch schon Stiftungen im Raum Basel angeschrieben, allerdings erhielten wir bis jetzt nur Absagen. Das ist für mich schwer nachvollziehbar, denn wir engagieren uns im Bereich der Reintegration von benachteiligten Menschen, in der humanitären Hilfe und tun konkret etwas für den Klimaschutz, indem wir Seifen wiederverwerten anstatt sie wegzuwerfen. Eine Studie der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) hat gezeigt, dass mit der Wiederverwertung der Seifen rund 90 Prozent der CO2-Emmissionen eingespart werden können, die bei einer Verbrennung entstehen würden. Seit Anfang 2015 haben wir rund 28.2 Tonnen Seifenstücke gesammelt und rezykliert. Dies gilt es noch vermehrt aufzuzeigen!