Architektur und Funktion im Einklang

Autoren: Lucien Mérat und Nicolas Perrottet, Projektleiter, Sottas SA

Mit dem Neubau des Hauptgebäudes auf dem Spitalcampus in Interlaken wird nicht nur eine moderne und zukunftsfähige Infrastruktur für das Gesundheitswesen geschaffen, sondern auch die Doppelhautfassade als zentrales gestalterisches und funktionales Element in den Mittelpunkt gestellt. Sie leistet einen wichtigen Beitrag zur Funktionalität und zum Erscheinungsbild des Neubaus.

Das Spital Interlaken hat eine lange Geschichte, die bis in die frühen 1900er-Jahre zurückreicht, als die ersten Gebäude errichtet wurden. Seither wurde die Infrastruktur kontinuierlich erweitert und modernisiert, um den immer komplexeren Anforderungen des Gesundheitswesens gerecht zu werden. Aktuell findet ein grosser Transformationsprozess statt: Ein Teil der Gebäude auf dem Spitalcampus in Unterseen wird kontinuierlich an die aktuellen und zukünftigen Bedürfnisse anpasst. Dafür wird der Bestand teils etappiert rück- und wiederaufgebaut, neu genutzt, über eine Rochade zwischengenutzt und modernisiert. Die Vorhaben basieren auf dem im Architekturwettbewerb 2015 ermittelten Siegerentwurf und erfolgen unter vollem Spitalbetrieb. Als letzte Bauhauptetappe wurde der älteste Gebäudekomplex angegangen. Dieser östliche Teil des alten Spitals in Unterseen, der 1905 entstand, wurde ab 2021 etappiert rückgebaut. An gleicher Stelle wird das sechsstöckige Haus E – das Hauptgebäude – aufgebaut und mit einem grosszügigen Haupteingang mit Vorplatz ergänzt. Der Neubau stellt eine der bedeutendsten Bauetappen für die Transformation des Spitals dar, da es die neue Gastronomie und den Haupteingangsbereich mit direkter Anbindung zur Bushaltestelle unterbringt und die ambulanten Bereiche in einem Gebäude zusammenführt.

Im September 2024 zogen 27 Bereiche mit 300 Mitarbeitenden in das Haus ein. Sie bezogen Räumlichkeiten, die in modularer Bauweise errichtet wurden, was flexible Raumeinteilungen ermöglicht. Das bedeutet, dass die Räume rasch an veränderten Bedürfnissen angepasst werden können; das ist nachhaltig.

Der Gesamtumbau des Spitals ist damit aber noch nicht abgeschlossen, weitere Arbeiten stehen bis Sommer 2026 an.

Doppelt und mehrfunktional

Besonders am Neubau hervorzuheben ist die Doppelhautfassade, die nicht nur als ästhetisches Element dient, sondern auch massgeblich zur Energieeffizienz und zum Raumklima beiträgt. Dabei handelt es sich um eine zweischalige Konstruktion, bei der die zwei Fassadenebenen im Abstand von 0.8 m voneinander getrennt angeordnet sind. Dabei schützt die äussere Schicht (Sekundärfassade) aus Dreifachverbundsicherheitsglas mit 3 x 10 mm Gläser und dazwischen liegender PVB-Folie vor Witterungseinflüssen, während die innere Schicht (Primärfassade) aus wärmeisolierendem Dreiverbundglas den Raumabschluss darstellt.

Die Luftschicht zwischen den beiden Fassadenebenen fungiert als thermischer Puffer. Die stetige Belüftung der Zwischenschicht verhindert die Bildung von Kondenswasser, und ein installiertes Sonnenschutzsystem mit Lamellenstoren – das in der Doppelhautfassade auch bei Wind genutzt werden kann – dient zugleich als Blendschutz. Das System maximiert somit den thermischen Komfort und die Energieeffizienz des Gebäudes.

Die Doppelhautfassade ist gesamthaft eine leichte Fassadenkonstruktion, und beschädigte Glaselemente oder Module können einfach ausgetauscht werden. Die Reinigung der inneren und äusseren Scheiben kann von innen aus dem Zwischenraum geschehen. Die Aussenfassade wird mithilfe von Fassadenkletterern gesäubert, für die entsprechende Halterungen vorgesehen wurden.

Konstruktion mit Schwertern

Die Tragkonstruktion des Gebäudes besteht aus Betondecken, ergänzt durch Brüstungselemente aus vorfabrizierten Betonelementen. Diese Brüstungselemente sind mit integrierten Halfenschienen ausgestattet, an denen die Unterkonstruktion der Doppelhautfassade befestigt ist. An diese Stahlunterkonstruktion schliessen horizontal auskragende Stahlschwerter biegesteif an. Diese Schwerter, deren Abstände zwischen 0.80 m und 1.12 m variieren, sind über Stellschrauben millimetergenau justierbar, sowohl in der Tiefe, der Höhe als auch in der horizontalen Ausrichtung. Sie tragen begehbare Gitterroste, die den Lüftungsstrom im Zwischenraum nicht behindern, und auf ihnen aufgestellt ist die innere Ebene der Doppelhautfassade aus einer Holz-Metall-Fensterkonstruktion, die ein durchgehendes Fensterband bildet. Zudem ist diese Fensterkonstruktion oben an den Betonbrüstungen fixiert. Weiter ist an der Aussenkante der Schwerter ein durchgehendes, massgeschneidertes Aluminiumprofil angebracht, in das die äusseren witterungsschützenden Glasscheiben eingehängt werden. Die Gläser sind nur oben und unten gehalten und bleiben über die gesamte Scheibenhöhe frei.

Auf der Dachebene wird die Unterkonstruktion der Doppelhaut mit einer Doppelschwertkonstruktion ausgeführt, welche die Glasscheiben an der Oberkante fixieren. Gleichzeitig entsteht durch diese adaptierte Konstruktion ein Raumvolumen, der zur Dachebene hin offen ist und wodurch die Zwischenzone entlüftet wird.

Sorgfalt im Detail

Die äussere Fassade besteht ausschliesslich aus Glasscheiben, deren 20 mm breiten Zwischenräume nicht ausgefugt, sondern offen belassen sind. Jede Glasscheibe ist jeweils in einem Fixpunkt gehalten und sonst gleitend gelagert. Weil sich die Konstruktion auf diese Weise dreiseitig ausdehnen oder zusammenziehen kann, ohne dass sichtbare Verschiebungen entstehen, verändert sich das Fugenbild über die Zeit nicht oder kaum. Die vertikalen Linien der Gläser werden einzig von den horizontalen Deckleisten unterbrochen, die in jedem Geschoss angeordnet sind. Sie sind Teil der massgeschneiderten umlaufenden Aluminiumprofile, halten Kopf- und Fusskanten der Scheiben und sind als Funktionsbauteile mit einer Kontur gestaltet: Die obere und untere Sichtfläche ist natureloxiert und ein Bereich dazwischen, der ebenso breit ist wie die Fuge zwischen den Scheiben, ist schwarzeloxiert. Dank dieser bewusst sorgfältig gestalteten Abstimmung der Bauteile entsteht eine ästhetisch ansprechende Fassade.

Diese Sorgfalt zeigt sich auch in der Fassade des zurückversetzten Erdgeschosses, wo die Reissverschluss-Sonnenschutzrollos seitlich gehalten und in Schienen geführt sind, die über massgeschneiderte Profile in das Pfosten-Riegel-System integriert wurden. Diese Lösung erfordert zwar eine etwas aufwendigere enge Abstimmung zwischen internen und externen Disziplinen, doch entsteht dadurch auch eine filigranere Fassadenkonstruktion. Während die Grundsysteme standardmässig wiederkehrend sind, entstehen bei jedem Projekt individuelle Details, die Prototypen sind. Das wiederum erfordert spezifisches Fachwissen und Erfahrungen, die in früheren Projekten gemacht wurden und kontinuierlich weiterentwickelt werden. Diese Erfahrungswerte tragen entscheidend zum Gelingen einer Konstruktion bei.

Fassade als Teil der Gesamtbetrachtung

Die Doppelhautfassade mit einer Fläche von rund 3’000 m2 verleiht dem Neubau letztlich auch eine moderne und zugleich funktionale Optik. Durch die Kombination transparenter und geschlossener Elemente in der Innenfassade entsteht eine faszinierende Wechselwirkung von Licht und Schatten. Damit übernimmt die Doppelhautfassade bei diesem Bauwerk entsprechend ihrem Aufbau eine mehrschichtige Rolle – funktional, architektonisch und energetisch. Sie erfüllt somit den Anspruch, eine «gesunde» architektonische Gesamtlösung zu schaffen.

Bautafel

  • Bauherrschaft – Spitäler Frutigen Meiringen Interlaken AG, Unterseen
  • Projektverfasser / Generalplaner – Brügger Architekten AG, Thun
  • Fassadenplanung – Emmer Pfenninger Partner AG, Münchenstein
  • Fassadenbauer – Sottas SA, Bulle