Auf einem herausfordernden Weg

Interview: Thomas Müller Autor: Georg Lutz

Die Geschichte, Gegenwart und Zukunft der Bank CIC (Schweiz) AG

Vor 150 Jahren gründeten Unternehmer aus der Schweiz eine Bank in Strassburg, um die finanziellen Anliegen von Unternehmen in der Region zwischen Deutschland, Frankreich und der Schweiz abzudecken. Da können die Verantwortlichen mit Recht auf eine lange  Geschichte zurückblicken. Gleichzeitig gilt es aber, die Herausforderungen der Zukunft schon jetzt innovativ aufzunehmen. Wir führten ein Ankerinterview mit dem CEO der Bank CIC (Schweiz) AG.

Banken befinden sich wie viele andere Akteure heute in einem Transformationsprozess, bei dem digitale Technologien eine zentrale Rolle spielen. Hier gilt es, Resilienz zu entwickeln. Dabei geht es aber nicht um den Ausbau des Status quo, sondern die produktive Aufnahme disruptiver Entwicklungen. Es gilt, die zukünftige Ausrichtung der Märkte und die Bedürfnisse der Kundinnen und Kunden im Auge zu haben.

PRESTIGE BUSINESS: Herr Müller, wir leben in bewegten Zeiten. «Zeitenwende» oder «Epochenbruch» lauten die hochtrabenden Stichworte, mit denen wir seit Kriegsbeginn konfrontiert sind. In solchen historischen Wechselsituationen ist ein Blick in die Geschichte hilfreich. Sie sind jetzt 150 Jahre auf dem Markt. Wenn man sich zurückerinnert, wurden viele Banken in diesem Zeitrahmen gegründet. Dies hat mit der industriellen Revolution zu tun, mit Kapital, welches dann benötigt wurde, mit einer ersten Phase einer industriellen Globalisierung, neue Technologien haben disruptive Entwicklungen ausgelöst. Gleichzeitig gab es auch politische Verwerfung, Imperien haben sich neu geordnet und die Gründerkrise hat Gesellschaften erschüttert. Das ist spannend, da es heute ähnliche Brüche  gibt, die man vergleichen könnte. Wie beurteilen Sie diese Vergleiche?
Thomas Müller: Ich glaube, man kann diese beiden Perioden, Ende des 19. Jahrhunderts und heute, sehr gut miteinander vergleichen. Gerade auch die Gründung unserer Bank entspringt diesem Wandel. Als sich die französischen Banken 1871 aus Elsass-Lothringen zurückzogen, ergriffen Basler Unternehmer die Gelegenheit, für ihre Unternehmen in Elsass-Lothringen selbst Bankdienstleistungen zu erbringen. Die französischen Banken, die Europa mit dem französischen Franc dominiert haben, haben sich zurückgezogen und es gab ein finanzpolitisches Vakuum. Sie haben Recht, es wurden in dieser Zeit viele Banken gegründet. Sie haben die Gründe der ersten industriellen Revolution und ihres Kapitalbedarfs aufgeführt. Es gibt aber noch einen weiteren wichtigen Punkt: Es ging um sozialpolitische Überlegungen. Auch ärmere Teile der Bevölkerung bekamen die Möglichkeit, ihr Geld sicher aufzubewahren und einen Zins darauf zu verdienen. Für die Kantonalbanken war dies sogar ein Auslöser für ihre Gründung.

Wurden die ganzen Gesellschaften in Europa davon erfasst?
Es gab eine umfassende Bewegung. Investitionsprojekte für Unternehmer, die ihre Betriebe am Laufen halten oder entwickeln wollten, waren ein zentraler Antriebsriemen. Die zunehmende Verstädterung und ihre Infrastruktur und Verkehrsprojekte brauchten Kapital – die erste industrielle Revolution sowieso. Das war ein gewaltiger Bruch mit  feudalistischen Strukturen. Die Landbevölkerung, die klassisch mit ihrem Speicher und Korn, welches sie in Reserve behielt, gespart hat, verlor an Bedeutung. Das ist damals eine spannende Zeit gewesen, die diese Unternehmen hervorgebracht hat, die operativ und industriell tätig waren – aber auch Banken, die als Dienstleiter dazu gekommen sind. Und genau die gleichen Bedürfnisse, die die Menschen damals hatten, die gibt es heute immer noch. Und aus diesem Grund kann man eine Parallele ziehen. Es braucht immer noch Finanzierungen und Projekte für Unternehmen in herausfordernden Zeiten. Zudem suchen Wirtschaftsakteure Anlagemöglichkeiten. Wenn das im Rahmen eines Negativzins-Umfelds abläuft, ist das nicht einfach. Wie bekommen Sie dann etwas für ihr Geld, bei gleichzeitiger Inflation? Fünf Prozent Inflation in Europa, sieben Prozent in den USA, in der Schweiz im privilegierten Bereich 2.2 Prozent – auch schon viel für unsere Verhältnisse –, das sind  tatsächlich wirtschaftliche, aber auch soziale Herausforderungen, vor denen wir stehen und in welchen sich alle Gedanken darüber machen müssen, wie wir zu Lösungsszenarien kommen.

Auch vor 150 Jahren hatten wir eine Wirtschaftskrise mit einem Gründungs-Boom. Mangelnde Liquidität und fehlende Absatzmärkte führten zu Problemen. Heute gibt es ähnliche, aber auch andere Herausforderungen. Aktuell bekommt man als Unternehmensverantwortlicher oft nicht mehr genügend Waren und Rohstoffe. Für Banken gibt es viel zu tun.

Wie hat sich Ihr Haus in den folgenden Jahrzehnten weiterentwickelt? Die Bank CIC ist heute weder eine Grossbank am Paradeplatz in Zürich noch eine klassische kleine Privatbank.
Wir haben zunächst überlebt. 150 Jahre überleben im 20. Jahrhundert ist keine Selbstverständlichkeit. Es gab zahlreiche Herausforderungen: die Gründungsphase, der Erste Weltkrieg oder die Weltwirtschaftskrise 1929 – 1933.

Da gab es sicher auch einige Umgruppierungen?
Ja, zum Beispiel in der Weltwirtschaftskrise haben sich die Verantwortlichen entschlossen, mit einer anderen Bank, der CIAL (Credit Industriel d’Alsace et de Lorraine) zu fusionieren. Unser Name war Banque d’Alsace et de Lorraine (BAL). Wir hatten also eigentlich den gleichen Markt, wobei die BAL auch in der Schweiz ihre Aktivitäten entfaltete.

Ist Kontinuität in Ihrer Unternehmensphilosophie eine zentrale Komponente?
Ja, wir sind jetzt seit über 100 Jahren am Marktplatz in Basel. Wir agieren in einer Liegenschaft von der Zunft zu Weinleuten. Seit 1918 sind wir in diesem Gebäude eingemietet. Das zeigt die langfristige Orientierung unserer Bank. Wir haben Krisen immer auch als Chancen genutzt. Die gab es immer wieder, zum Beispiel die Verstaatlichung von Banken in Frankreich, die CIAL war ja eine französische Bank gewesen. Damals ist der Schweizer Teil abgespaltet worden. In der Folge entstand eine reine Schweizer Bank mit eigenem Kapital und eigener Strategie. In den Achtzigerjahren des letzten Jahrhunderts gab es eine Expansion des Private Bankings. Dies hat man im Rahmen einer  selbstständigen Schweizer Bank vorangetrieben. Jenseits dieser Konjunkturen sind wir eine Bank, die in der Schweiz organisch, in ihren unterschiedlichen Tätigkeitsfeldern, wachsen will.

Und gelingt das?
Wir haben unser Filialnetz ausgebaut und gleichzeitig in den letzten elf Jahren unsere Bilanzsumme vervierfacht. Unsere Verwaltung und das Vermögen haben wir etwa verdreifacht, die Gewinne mehr als verzehnfacht. Die Bank CIC hat ihre Strategie immer wieder angepasst und sich neu und gut positioniert. Wir haben gleichzeitig die alten Wurzeln genutzt, um uns dort entsprechend der Entwicklungsprozesse strategisch voranzubringen. Im letzten Jahrzehnt sind wir die wahrscheinlich am stärksten wachsende Universalbank, die es in der Schweiz gibt.

Es gab und gibt unfassbar viele Veränderungen. Nehmen wir nur das Online-Banking. Inzwischen ist nur noch etwa ein Viertel der Schweizer Bankkunden mit dem klassischen Schalterformat unterwegs. Ein Mix repräsentiert heute die Mehrheit. Sie sind sowohl digital als auch analog unterwegs. Inzwischen gibt es aber eine jüngere Generation, die fast nur Online-Banking betreibt. Solche Umstellungen entwickeln sich nicht von heute auf morgen. Wie gehen sie diese an?
Das ist eine spannende Frage, die einfach zu beantworten ist. Wir fragen unsere Kunden, was sie wollen. Das ist die zentrale Frage, auch wenn wir unsere Werte hier im Hause neu austarieren. Wir müssen verstehen, was die Kundschaft will und wie wir sie begleiten können. Es gilt, unseren Kundinnen und Kunden unser Know-how zur Verfügung zu stellen, sodass sie von uns einen Mehrwert bekommen. Dann sind sie auch bereit, mit uns zu arbeiten. Das ist ein bedeutender Punkt unserer Philosophie. Aus diesem Grund haben wir mit Partnern eine eigene EBanking-Lösung entwickelt. Das ist eine Plattform, die wir  zusätzlich als Vertriebskanal nutzen. Kunden können dort Finanzprodukte eröffnen, individuelle Berechtigungen setzen, Versicherungen abschliessen oder Informationen von Drittbanken einholen. Mit diesen Informationsdienstleistungen können sie ein Multi-Banking-System einrichten, indem alle Finanzdienstleistungen von unterschiedlichen Anbietern steuerbar sind. Das ist eine State-of-the-Art-Lösung in der Schweiz. Diese ist wichtig, um unseren Omnikanal-Ansatz umsetzen zu können. Es gibt viele Leute, und es sind immer mehr, die ihr Online-Banking selbst machen wollen. Es gibt aber auch Kunden, die gewisse Geschäfte mit persönlichem Kontakt abwickeln wollen. Wir nennen dieses Modell «New Swiss Banking». Wir verknüpfen die traditionelle Bankarbeit mit modernen Instrumenten und wollen dem Kunden die Entscheidung überlassen, was er wie nutzen will.

Können Sie uns hier Beispiele nennen?
Das übliche Zahlungsgeschäft realisieren heutzutage 90 Prozent unserer Kundinnen und Kunden per E-Banking. Demgegenüber kann eine Nachfolgelösung nicht online angegangen werden. Da braucht es die persönlichen Kontakte und viel Einfühlungsvermögen. Als vergleichsweise kleine Bank, die ihre Kunden kennt, sind wir besser als die grossen Player aufgestellt. Wir haben die Flexibilität, die es ermöglicht, Kunden individuell zu betreuen.

Sie werben explizit mit kleinen Unternehmensbeispielen, mit Betrieben, die zwischen zehn und 15 Mitarbeitende haben.
Auch diese Unternehmen brauchen Unterstützung. Ich habe keine Ahnung von der Arbeit eines Zimmermanns, diese kann ich schwer beurteilen. Sie sind Experten in ihrer Branche. Aber ich kann mein Finanzwissen zur Verfügung stellen. Grossbanken – ich war früher auch bei der CS – haben hochspezialisierte Leute, die ihre Branchen kennen. Eigentlich kennt aber der Kunde seine Industrie am besten. Wir müssen diesen Unternehmen im Finanz-Bereich helfen. Dadurch, dass wir versuchen, sie und ihre Bedürfnisse zu verstehen, können wir deutlich mehr machen. Dabei stellt sich die zentrale Frage, was der Kunde will. Unsere Beweggründe knüpfen daran an.

Ihre Kundinnen und Kunden kennen natürlich ihr Business. Aber verstehen sie die Zeichen und disruptiven Entwicklungen der digitalen Revolution? Nehmen wir nur das Beispiel der Vertriebskanäle. 1990 dominierte der stationäre Handel, dann gab es Multi-Channel-Lösungen. Vor zehn Jahren arbeiteten wir mit Omni-Channel, jetzt kommen noch die Social-Media-Sektoren dazu. Vielleicht werden wir in zehn Jahren virtuelle Vertriebskanäle mit Avataren als Akteure haben. Sind nicht fast alle Beteiligten überfordert?
Wie erfolgreich ein Spin-off von der Roche sein wird, ist für mich schwer zu beurteilen. Wir können hingegen Ideen mit dem Kunden entwickeln und ihn als Experten für Finanzdienstleistungen darin beraten, ob Private Equity Lösungen, Mezzanine Finanzierungen oder Senior Kredite die richtigen Finanzierungsinstrumente sind. Und auch wissen wir, wer sich in diesem Markt auskennt und bereit ist, dort zu investieren. Wir haben auch selbst unsere Private Equity Gesellschaft, die CM (Credit Mutuell) Equity in Zürich, die Lösungen anbieten kann. Dazu kommt ein Netzwerk von Partnern.

Was für eine Unternehmensphilosophie steht dahinter?
Es gilt, verantwortungsvoll mit Kundinnen und Kunden umzugehen. Zu wissen, was man kann und was man nicht kann. Das ist das Schöne an einer partnerschaftlichen Beziehung auf Augenhöhe.

Das passt aber nicht zu den eher negativen Bildern, die wir von Bankverantwortlichen im Hinterkopf haben.
Das sehe ich ganz anders. Und das hat sich in den letzten Jahren auch verändert. Bankverantwortliche geniessen heute wieder eine sehr hohe Reputation. Die Kunden haben oft mehr Vertrauen zu ihrem Bänker als zu ihrem Arzt.

Da lehnen Sie sich weit aus dem Fenster.
Wir sind da auf dem richtigen Weg. Das zeigt mir, dass wir mutig sein und den Kunden fragen müssen, was seine Herausforderungen sind. Viele Bankverantwortliche trauen sich nicht, das zu fragen. Wenn wir aber partnerschaftlich miteinander umgehen, finden wir die besten Lösungen. Das ist ein Schlüsselelement in der ganzen Geschichte, in der Zusammenarbeit heute und in der Zukunft.

Das Aufzeigen von Perspektiven ist aber zum Teil von anderen Partnern abhängig.
Richtig. Da braucht es nicht nur einzelne Partner, sondern ganze Ökosysteme. Einer unserer Partner ist zum Beispiel Property Captain. Das ist eine Immobilienplattform.

Was steht hier dahinter?
Hinter Property Captain steht eine intelligente Immobilien-Suchmaschine mit dem umfassendsten Angebot der Schweiz. Property Captain bringt durch Matching-Algorithmen interessierte Mietende sowie Eigentümerinnen und Eigentümer – abhängig von der jeweils aktuellen Lebensphase – mit den passenden Objekten zusammen.

Und was hat dies mit Ihrem Haus zu tun?
Da sind wir als Bank auf den ersten Blick aussen vor. Aber wir haben es hier mit einem Partner von uns zu tun. Wir können dort Produkte vertreiben. Wir bieten unsere Dienstleitungen auf dieser Plattform an. Das sind Möglichkeiten, die von vielen Banken als utopisch angesehen werden. Wir versuchen immer, Lösungen zu finden, auch mit Partnern, die andere moderne Ansätze haben. Dank Property Captain verfügen wir über zwei Milliarden Informationen über fünf Millionen Immobilienprojekte in der Schweiz.

Immer mehr Fintechs kommen auf den Markt. Wie hat sich die Bank CIC hier aufgestellt?
Wir pflegen eine Kooperation mit der Stableton Financial AG, einer führenden europäischen Fintech-Plattform für alternative Anlagen. Damit bieten wir unseren Kundinnen und Kunden über unseren kompetenten und innovativen Partner Zugang zu aussergewöhnlichen und erstklassigen Anlagemöglichkeiten.

Stableton wirkt als wichtiger Beschaffungs- und Strukturierungspartner. Dabei hilft das umfangreiche Netzwerk an Kontakten in der Private-Markets-Branche. So können Kunden der Bank CIC zu Vorzugspreisen in spannende Unternehmen investieren. Pre-IPO-Titel sind Wertpapiere von Firmen, die kurz vor dem Börsengang stehen. Die Bank CIC wird mit ihren Themen-Baskets den Anlegern bereits ab tieferen Beträgen den Zugang zu Unternehmen ermöglichen, die oft ein beträchtliches Potenzial und ein moderates Risiko aufweisen. In der Vergangenheit erforderte der Zugang zu den Innovatoren von morgen einen engen Kontakt zu Venture Capital Fonds, falls man als Investor überhaupt akzeptiert wurde. Dies war zudem mit hohen Mindesteinlagen, umständlichem Papierkram, spärlichen Informationen und langen Haltefristen verbunden. Wir sind überzeugt, dass Transaktionen von Private Equity und Private Debt im heutigen Marktumfeld eine unverzichtbare Satellitenallokation darstellen. Sie stehen für hohe Renditechancen und Diversifizierungen zu den traditionellen Anlageklassen. Aus diesem Grund freuen wir uns, mit Stableton einen ausgewiesenen Experten als Partner für unser Angebot zur Seite zu haben.

Können Sie das Vorgehen nochmals praktisch verdeutlichen?
Wir versuchen, Investitionen zu «demokratisieren ». Ich verdeutliche dies an einem Beispiel: Wenn sie heute in SpaceX von Elon Musk investieren möchten, müssen sie einen Millionenbetrag auf den Tisch legen. Unter drei, vier Millionen geht da eigentlich gar nichts. Die meisten Kunden sind nicht bereit oder nicht in der Lage, so viel Geld aufzubringen, wären aber hoch interessiert, zum Beispiel 50’000 Schweizer Franken zu investieren. Stableton macht solche Beteiligungen möglich, die wir danach unseren Kunden zu attraktiven Konditionen anbieten können. Damit können auch Kleinanleger davon profitieren. Ähnlich wie man früher den Kunden ermöglichte, auf einem Sparkonto zu sparen, ermöglichen wir jetzt etwas, was vorher nur den Superreichen zur Verfügung stand.

Kommen wir zum Thema Nachfolge: Es gibt in diesem Bereich unheimlich viele Angebote. Ist Nachfolge in der Schweiz so kompliziert?
Bezüglich Nachfolge gibt es sehr viele unterschiedliche Kundenbedürfnisse. Gibt es einen Nachfolger aus der Familie? Soll das Unternehmen an einen Manager verkauft werden, der schon zwanzig Jahre im Unternehmen arbeitet? Geht es um einen möglichst hohen Gewinn? Oder um die Bewahrung des Erbes? Es gibt unendlich viele Wünsche. Daher ist auch die Zahl der Anbieter so hoch, die diese Wünsche möglich machen.

Wenn ich möglichst viel Gewinn erzielen möchte, muss ich mich mit Finanz- oder Industrie-Investoren auseinandersetzen und die steuerliche Situation im Auge haben. Und wenn ich vor allem mein Erbe bewahren möchte, benötige ich einen Juristen. Denn wenn zum Beispiel der Standort unbedingt bestehen bleiben soll, dann muss das wasserdicht in den Verträgen festgehalten werden.. Selbst wenn eines der Kinder übernimmt, muss man schauen, dass dieses Kind die entsprechende Ausbildung und das nötige Know-how mitbringt. Auch braucht es das nötige Geld, um die Geschwister auszuzahlen und die Steuern zu bezahlen. Da gibt es ganz viele verschiedene Herausforderungen.

Wir halten fest: Nachfolge ist ein sehr komplexes Thema. Wie gehen Sie hier vor?
Wir sehen uns auch hier als Partner des Unternehmers oder der Unternehmerin. Wir begleiten die Verantwortungsträger mit unserem Know-how. Man muss sicher auch ein Stück weit Psychologe sein, um den Kunden zu verstehen. Ich kann mich gut an einen über 90-jährigen Patron erinnern, der meinte, er sei noch fit und möchte noch arbeiten. Er hatte zwei Söhne. Ich hatte das Thema Nachfolge schon lange auf seine Agenda gesetzt – lange vergeblich. Eines Tages kam er an und meinte: Mein ältester Sohn hat mir gesagt, er geht jetzt in Pension, der war 65 Jahre alt. In dieser Situation ist das Weltbild des Patrons zusammengebrochen. Er hat die Dringlichkeit leider nie verstanden und es war schwer, ihm diese zu verdeutlichen.

Und wie hat sich die Situation aufgelöst?
Wir haben uns einen schönen und ruhigen Nachmittag gegönnt und sind die Szenarien durchgegangen. Er hat sogar seinen jüngeren Sohn mit in den Nachmittag integriert. Der hat dann schlussendlich auch übernommen.

Wann sollte das Thema Nachfolge auf die Agenda?
Wir versuchen, das schon bei der Gründung zu adressieren. Schon zu diesem Zeitpunkt ist ein Ausstiegsszenario wichtig. Je nachdem, was man für eine Gesellschaftsform wählt, hat das massive Folgen. Sie als Unternehmer tragen auf jeden Fall die Verantwortung und sollten sich so früh als möglich damit auseinandersetzen.

Werden aktuell mehr Unternehmen verkauft, da die Nachkommen kein Interesse mehr an einer Übernahme haben?
Ich glaube, die Babyboomer sind sehr unternehmerisch tätig gewesen. Es gibt viele Unternehmen, die von ihnen geführt werden, und sie bewegen sich nun in der Phase zwischen 55 und 70 Jahren. Es ist ein grosser Handlungsdruck da. Trotzdem wird die Herausforderung oft verdrängt. Ich hatte einen sehr guten Kunden, der war 75 Jahre alt. Das Thema Nachfolge war weit weg. Ich bin so fit, ich werde 100 Jahre alt, hat er immer gesagt. Meine Töchter werden dann alles bekommen, aber jetzt will ich mich damit noch nicht beschäftigen. Bei seinem plötzlichen Tod war die Nachfolge entsprechend nicht organisiert und die Töchter mussten rasch reagieren.

Das Thema Nachfolge ist, nüchtern betrachtet, ein Finanzthema. Wir denken bis jetzt immer nur an Personen. Ist das für eine Bank nicht auch ein spannender Markt?
Das ist in der Tat ein spannender Markt. Es gibt grob gesprochen drei Sorten der Nachfolge: Es kommt zu einer Familienlösung – der Klassiker –, es gibt den Manager oder es gibt externe Akteure, die übernehmen. Wenn es externe Akteure gibt, muss man überlegen, wer in Frage kommt. Läuft es auf eine industrielle Lösung hinaus, bei der wir Synergien nutzen können? Da gilt es, einige Fragen zu beantworten: Wie können wir die Einkaufsvolumina vergrössern? Wie können wir die Produktion effizienter gestalten oder die Produktpalette erweitern, um neue Märkte zu erschliessen?

Auf jeden Fall ist der Prozess der Nachfolgeregelung lang. Dabei haben wir Unterstützung von unseren Spezialisten und unserer spezialisierten Corporate-Finance-Abteilung. Die Unternehmensberater, die unsere Kunden und die Unternehmen bestens kennen, holen die Corporate-Finance-Berater dazu, die dann die richtigen Fragen stellen und Vorschläge einbringen, die man diskutiert. Die Zusammenarbeit erstreckt sich von externen Partnern über interne Experten und Fachleute bis zu den Kundenberatern.

Wie finden Sie ihren Platz im Nachfolgemarkt?
Unser Fokus ist auf die Unternehmer und ihre Unternehmen ausgerichtet. Entsprechend gewinnen wir hier durch Mund-zu-Mund-Propaganda immer wieder neue Kunden. Aus diesem Fundus heraus haben wir eine grosse Anzahl an Transaktionen, die wir generieren können. Das sind vor allem Verkaufsmandate, aber auch viele, die sagen, sie möchten kaufen und investieren. Da kombinieren wir auch die Stärken unserer Gruppe. Wir sind in der Schweiz eine kleine Bank, aber in Europa sind wir dank der Credit Mutuel ein bedeutender Player mit 80’000 Mitarbeitenden. Das betrifft vor allem die Nachbarländer der Schweiz wie Frankreich und Deutschland. Dort sind Repräsentationsbüros, die auch für die Investorensuche oder industrielle Lösungen zur Verfügung stehen.

Weitere Informationen:
www.cic.ch