Heute unterliegen viele Freizeitaktivitäten aktuellen Trends und Hypes, aber den Zolli lieben die Basler nach wie vor. Das liegt nicht zuletzt daran, dass der Zolli sein Angebot stetig an die gesellschaftlichen Veränderungen anpasst. Darüber sprachen wir mit dem Zoodirektor Olivier Pagan.
Der Basler Zoo eröffnete 1874 als erster zoologischer Garten der Schweiz. Seitdem hat sich viel verändert – in der Gesellschaft, aber auch in der Wissenschaft über die Tierwelt, in der artgerechten Haltung und in der Vermittlung von Wissen im Zoo. Der «Geschäftsführer» Basel sprach mit dem Zoodirektor Olivier Pagan darüber, wie der Zolli nach 148-jährigem Bestehen seine Millionen Besucherinnen und Besucher jährlich begeistert.
«Geschäftsführer»: Was war Ihr persönliches Zolli-Highlight im Jahr 2021?
Olivier Pagan: Mein persönliches Highlight war, als wir nach der zweiten Corona-Welle wieder öffnen durften. Im Jahr 2020 hatten wir 80 Tage geschlossen und im Jahr 2021 nochmals 70 Tage. Der Moment, an dem wir den Zoo wieder aufmachen konnten, war toll. Wir merkten auch, wie der Zolli den Menschen gefehlt hat. Es war zu spüren, dass sie wieder gerne zu uns kommen.
Das Konzept öffentlicher Zoos fasziniert Menschen seit über 200 Jahren. Warum kommt der Zoo nicht aus der Mode?
Das Konzept Zoo stammt aus der kaiserlichen Zeit, als die Herrschenden in ihren Privatgärten exotische Tiere gehalten haben. Im 19. Jahrhundert wurden diese dann für die gesamte Bevölkerung geöffnet. Ich glaube, der menschliche Drang, sich ein Bild vom Tierreich zu machen, ist eng daran gekoppelt, das lebendige Tier zu erleben. Es reicht nicht, nur ein Foto anzusehen. Die Begegnung mit dem echten Tier ist seit eh und je ein Herzenswunsch des Menschen.
Hat sich die Funktion des Zoos seitdem verändert?
Ja, zoologische Gärten haben heute eine ganz andere Funktion als damals. Es gibt immer noch viele Besucherinnen und Besucher, die einfach nur spazieren gehen und Tiere ansehen möchten. Als Zoo haben wir heute jedoch auch die Aufgabe, ihnen etwas mitzugeben. Über diese Bildungsfunktion können wir anhand von Führungen oder Workshops die Botschaft der Tierwelt näherbringen. Ebenfalls in den letzten Jahren hinzugekommen ist das richtige Halten von Tierpopulationen und das Aufrechterhalten von schwindenden Populationen. Vor etwa sieben Jahren hat der Zolli den freiwilligen Naturschutzfranken zusätzlich zum Eintritt eingeführt. Über 93 Prozent der Gäste zahlen diesen Naturschutzfranken, der integral an In-situ-Tierprojekte geht. Neben der Heroik, dem Bildungs- und Forschungsauftrag, ist also auch der Naturschutz eine Funktion des Zoos.
Wie passen Sie das Angebot im Zoo an den aktuellen Zeitgeist an?
Der Zoo ist immer ein Stück weit ein Spiegelbild der Gesellschaft und beide entwickeln sich gemeinsam weiter. Bestes Beispiel ist die Art und Weise, wie Zootiere gehalten werden. Das erste Raubtierhaus von 1902 war eine leere Anlage mit drei Löwen und dicken Gitterstäben. Das war’s. Das Haus aus den 50er-Jahren zeigte bereits markante Unterschiede: Die Anlage war grösser, hatte erhöhte Podeste und verschiedene Substrate am Boden. Unsere heutigen Anlagen haben nichts mehr mit den Vorgängern zu tun. Wir zeigen heute nicht möglichst viele Tiere einer Systematik, sondern erstellen Themenanlagen. Beispielsweise thematisieren wir bei den Raubtieren den Nahrungskreislauf unter dem Motto «fressen und gefressen werden».
Die Tierhaltung und die Begegnung zwischen Mensch und Tier im Zoo stehen auch immer wieder in der Kritik. Wie gehen Sie mit solchen Herausforderungen um?
Kritik ist der Ansporn, sich selbst zu überprüfen. Wir sind auch nicht unkritisch gegenüber dem, was wir tun. Wir fragen uns jeden Tag, ob wir unsere Funktion gut umsetzen. Kritik ist gut, damit sich die Tierhaltung weiterentwickeln kann. Sie wird erst dann lästig und unkonstruktiv, wenn sie pauschal ist. Das heisst, wenn sie den Zoo als Institution ablehnt. Dann ist kein Dialog mehr möglich. Wir schauen, dass wir das Beste für die Tiere machen. Nur so zeigt das Tier sein natürliches Verhalten und das gibt den Besucherinnen und Besuchern ein positives Erlebnis. Wenn diese das Gefühl haben, dass es den Tieren nicht gut geht, können wir lange über Naturschutz reden.
Die Baslerinnen und Basler identifizieren sich sehr stark mit dem Zolli. Das kenne ich kaum von anderen Städten …
Das ist auch in meinen Augen etwas sehr Einzigartiges. Die Identifikation der Baslerinnen und Basler mit «ihrem» Zolli ist sehr hoch. Es zeigt sich auch, dass diese Identifikation eine emotionale Sache ist. Viele finden, der Zolli sei wie die Fasnacht und der FCB aus Basel nicht wegzudenken. Unsere Aufgabe ist es nun, ihnen aufzuzeigen, dass der Zolli nicht nur toll ist, sondern auch eine Funktion und Mission hat.
Worauf können sich die Besucherinnen und Besucher im Jahr 2022 besonders freuen?
Auf ganz vieles natürlich. Wir konnten einige Anlagen fertigstellen oder renovieren. Zum Beispiel haben wir das Antilopenhaus – ein schönes historisches Haus – renoviert. Wir haben ein neues Aquarium für Schlammteufel im Vivarium. Und worauf sich die Besucherinnen und Besucher natürlich freuen können, sind die Fortschritte auf der Baustelle der Vogelhäuser. Diese sind zwar noch im Bau, aber jetzt kann man langsam miterleben, wie das Gebäude wächst und sich entwickelt. Die Erweiterung der Pelikananlage erahnt man bereits, die neue Zwergotteranlage kann man sehen.