Basel – Hanoi im Nullkommanichts

INTERVIEW MIT NGOC NGUYEN VON GABRIELA RÖTHLISBERGER

In Europa klettert die vietnamesische Küche seit einer Handvoll Jahren die Beliebtheitsskala rasant hoch – man spricht bereits von der «Generation Pho» als Trendtreiber! Auch die Restaurant-Gewohnheiten der Basler Bevölkerung haben sich verlagert und tendieren momentan mit einem dicken Plus zu einer der
gesündesten Nationalküchen der Welt: Vietnamesisches Essen ist unglaublich schmackhaft, frisch, fettarm und leicht verdaulich. Als Supplement bringt es sogar Vegetarier*innen, Veganer*innen und Fleischliebhaber*innen in Harmonie an einen Tisch.

Die eigenständige und vielseitige Kochtradition Vietnams hat zahlreiche typische Gerichte hervorgebracht. Das Essen ist überaus abwechslungsreich, dabei unterscheidet sich die Küche nicht nur zwischen dem Norden und dem Süden des Landes, auch jede Region hat ihre eigenen Spezialitäten hervorgebracht. Historisch gesehen wird der vietnamesischen Küche durch die geografische Nähe zu China ein leichter Stempel aufgedrückt und weist im Süden Vietnams auch Einflüsse der Thai-, Khmer- sowie der Indischen Küche auf. Die Kochkunst ist jedoch, wie auch zahlreiche Garmethoden, stark von einem französischen Einfluss geprägt – ein Erbe der Kolonialzeit.

Keine andere asiatische Küche kombiniert so gekonnt warm und kalt sowie süss und sauer auf eine derart delikate Art.

GESCHÄFTSFÜHRER*IN BASEL: Frau Nguyen, Sie haben im Mai 2016 in Basel das Restaurant «Knock on Wood» in der Nähe des Tellplatzes eröffnet. Im November 2019 folgte dann die Eröffnung Ihrer zweiten Gastro-Location im Herzen von Basel, des «V’oodles» mit Take-awayKonzept in der Freien Strasse. Übrigens mein Kompliment für die originelle Namensgebung. Beide Gastronomiebetriebe haben die wirtschaftliche Gratwanderung rund um die Pandemie überstanden. Können Sie mir die Gründe dafür näher beschreiben?
Ngoc Nguyen: Schön, dass Ihnen die Namen der Restaurants gefallen. Dass wir die Schwierigkeiten der letzten Jahre überlebt haben, verdanke ich in erster Linie dem Einsatz von unermüdlicher Arbeit und eines fantastischen Teams. Meine Passion für authentisches vietnamesisches Essen und der Wille, jeden Tag so positiv wie möglich über die Runden zu bringen, hat sicherlich auch dazu beigetragen. Doch heutzutage braucht es weitaus mehr, um es in der Gastronomie zu etwas zu bringen. Die Logistik bestimmt rund 80 Prozent des Erfolgs – die Organisation muss so perfekt wie möglich sein. Vielleicht hat uns auch der Umstand in die Hände gespielt, dass die Zeit für frisches, hochwertiges und gesundes asiatisches Essen in Basel einfach reif war.

Sie haben einen Masterabschluss in Wirtschaft und hatten einen lukrativen Arbeitsplatz im Finanzwesen. Was hat Sie dazu bewogen, als Quereinsteigerin ins
Gastronomiegewerbe zu wechseln?
Irgendwann habe ich festgestellt, dass mir meine tägliche Arbeit absolut keine Freude bereitet. Der Entscheid zur Selbstständigkeit kaum aus einem Bauchgefühl heraus. Der
Grundgedanke war, die bekömmliche vietnamesische Küche in Basel zu kultivieren. Natürlich wurde mir schnell klar, dass ich, um ein hervorragendes Restaurant zu führen, eine Profiköchin werden musste. Also besuchte ich neun Monate lang ein renommiertes Institut, das «Le Cordon Bleu» in London – eine der besten Kochschulen. Für mich als Anfängerin war das eine extrem intensive Zeit, aber mit dem Diplom in den Händen wurde mir eines bewusst: Wenn man sich anstrengt, niemals aufgibt und stets auf das Ziel fokussiert, kann man so ziemlich alles erreichen.

Welches Konzept verfolgen Sie mit dem Angebot Ihrer Restaurants?
Überzeugende Qualität ist die Grundidee und zieht sich wie ein roter Faden durch die Speisekarten beider Restaurants. Im «Knock on Wood», meinem Flagship, stehen die Gemütlichkeit und das Erlebnis von unverfälschtem vietnamesischem Essen im Vordergrund. Mit dem «V’oodles» wollte ich eine alte vietnamesische Tradition nach Basel holen – das wahrscheinlich beste Essen in Vietnam bieten bis heute die vielen
Garküchen auf der Strasse. Frisch zubereitete Köstlichkeiten, die nicht nur für Sättigung sorgen, sondern mit ihrem Aroma der Seele ebenfalls Gutes tun.

Was ist das Spezielle an der vietnamesischen Küche?
Die Leichtigkeit und Frische der Speisen. Es wird nichts vorgekocht oder in schweren, fettigen Saucen ertränkt, es wird kein Glutamat verwendet und die Schärfe ist niemals
dominant. Alles wird nach der Bestellung vor den Augen der Gäste zubereitet, so entsteht auch kein Food Waste. Zahlreiche Gemüse und Kräuter spielen eine bedeutende Rolle
in der vietnamesischen Küche. Die Balance zwischen würzig, sauer, salzig, süss und umami löst wahrhafte Geschmacksexplosionen im Mund aus. Zu vielen Gerichten wird oftmals
eine separate Schale mit frischen Kräutern gereicht, so kann jeder sein Essen nach Belieben selbst verfeinern. Vietnamesisches Essen ist auch für Allergiker geeignet, da die meisten Speisen kein Gluten enthalten oder lactosefrei sind.

Gibt es Gerichte, die bei den Baslerinnen und Baslern besonders beliebt sind?
Die traditionelle Nudelsuppe Pho ist meiner Meinung nach das Kultgericht überhaupt. Das Nationalgericht von Vietnam, ursprünglich aus meiner Heimatstadt Hanoi stammend,
besteht aus Reisnudeln, Gemüse und Fleisch vom Rind oder Poulet. Das Geheimnis einer guten Pho liegt in ihrer Brühe, die mit exotischen Gewürzen wie Sternanis, Kardamom,
Zimt und Nelken zubereitet wird. Dazu gibt es eine Schale mit frischen Zutaten wie Salat, Minze, vietnamesischem Basilikum, Koriander, Sojasprossen und Limette, begleitet
von Fischsauce sowie Chilis zum Würzen.

Jetzt ist mir das Wasser im Munde zusammengelaufen. Meine Favoriten waren bisher die knackigen Sommerrollen. Sind die bei Ihnen erhältlich?
Oh ja, die können in beiden Restaurants genossen werden. Die sogenannten «Fresh Summer Rolls» sind ein absolutes Must-eat in der vietnamesischen Küche. Da steckt eine geballte Ladung frischer Zutaten aus Gemüse, Minze, Koriander, Salatgurke, Reisnudeln, Garnelen oder auch Fleisch drin. Sie werden in dünnes Reispapier gewickelt und in eine sündhaft feine hausgemachte Erdnuss- oder Mangosauce gedippt – ein echtes Highlight und ein unvergessliches Geschmackserlebnis.

Kürzlich habe irgendwo gelesen, die vietnamesischen Sandwiches seien ebenfalls eine Versuchung wert.
Sie meinen das Banh Mi – das wohl beste Sandwich der Welt. Banh Mi ist eine Art üppig gefülltes Baguette, das geschmacklich aber rein gar nichts mit der französischen Variante am Hut hat. Die Füllungen sind sehr unterschiedlich: knuspriges Poulet oder Tofu, Lachs mit Avocado, BBQ-Entrecôte, Süsskartoffeln, Crevetten mit Mango, Tempura-Gemüse oder
Schweinebauch mit Kimchi. Dazu kommen noch frischer Koriander, Salatgurke und die authentische vietnamesische Sauce «nuoc cham», die nach eigenem Rezept hergestellt und
ausschliesslich im V’oodles erhältlich ist. Ganz gleich mit welcher Füllung – es ist der perfekte Snack für zwischendurch.

Werden Sie demnächst ein weiteres vietnamesisches Restaurant in Basel etablieren?
Das ist nicht ganz auszuschliessen, aber im Moment bin ich mit den beiden Restaurants und dem Catering-Angebot ausgelastet und zufrieden mit der Situation. Seit zwei Monaten
steht mir meine Mutter kochtechnisch zur Seite und bereichert mit ihren vielfältigen Erfahrungen die Qualität der Kochkunst unseres Teams. Diese Zusammenarbeit verläuft
überraschend harmonisch – für uns steht das Essen, auf das wir beide stolz sind, im Fokus. Jeder einzelne Arbeitstag macht mir jetzt grossen Spass.

Verfolgen Sie in Zukunft ein bestimmtes Ziel?
Meine Vision ist es, die spezielle Küche Vietnams in der Schweiz noch populärer werden zu lassen, um der Gesellschaft mit gesundem Essen längerfristig etwas Gutes zu tun.

KNOCK ON WOOD
Vietnamese Fusion Cuisine
Bruderholzstrasse 39
CH-4053 Basel
Telefon +41 (0) 61 361 60 60
info@knockonwoodfusion.ch
WWW.KNOCKONWOODFUSION.CH

V’OODLES
Vietnamese Street Food
Freie Strasse 89
CH-4051 Basel
Telefon +41 (0) 79 359 65 02
info@voodlesbasel.ch
WWW.VOODLESBASEL.CH