Burn-out – wenn Leistungswille zur totalen Erschöpfung führt

Interview von Fiona Egli mit Lisa Fässler

Alles geben – für die eigene Firma, im eigenen Job. Gerade bei Menschen, die viel für ihre Arbeit leisten und grosse Verantwortung tragen, kann es vorkommen, dass sie sich Stressbelastungen selbst nicht eingestehen – und weitermachen. Doch was geschieht, wenn jemand an seine Leistungsgrenze stösst?

Lisa Fässler, Psychologin und Expertin für betriebliches Gesundheitsmanagement beim AEH-Zentrum für Arbeitsmedizin, Ergonomie und Hygiene, erklärt im Interview, was ein Burn-out ist, wodurch es ausgelöst wird und welche Präventionsmassnahmen es gibt. Auf der folgenden Doppelseite werden die Herausforderungen optisch zusammen gefasst.

 Geschäftsführer*in Basel: Frau Fässler, in den Medien liest und hört man immer wieder, dass Burn-outs in der Schweiz weit verbreitet sind und in den letzten Jahren stetig zugenommen haben. Was genau versteht man unter einem Burn-out?

Lisa Fässler: Bei einem Burn-out handelt es sich um ein Syndrom. Das heisst, ein Burn-out ist eine Ansammlung von Symptomen, die überzufällig häufig miteinander auftreten. Man spricht in der Regel von drei Hauptsymptomen: emotionale Erschöpfung, geringere Leistungsfähigkeit und Depersonalisation. Unter Letzterem versteht man sehr allgemein gesprochen eine geistige Distanz und negative Haltung gegenüber anderen Menschen. Das Burn-out-Syndrom ist keine diagnostizierte Krankheit, birgt aber das Risiko, an einer psychischen Störung zu erkranken – zum Beispiel an einer Depression. Aus wissenschaftlicher Perspektive ist ausserdem interessant, dass nur im Arbeitskontext von einem Burn-out gesprochen wird, das Syndrom also «nur» erwerbstätige Personen betrifft.

Worin liegen die Gründe, dass jemand ein Burn-out erleidet?

Dem liegt in den meisten Fällen ein schleichender Prozess zugrunde. Menschen, die an einem Burn-out leiden – also ausgebrannt sind –, haben zu Beginn «für etwas gebrannt». Das heisst, in einer ersten Phase legen betroffene Personen oft eine gesteigerte Leistungsfähigkeit an den Tag und koppeln den eigenen Selbstwert eng an den beruflichen Erfolg. Darauf folgt eine Stagnationsphase, in der sie merken, dass die eigene Leistungsfähigkeit begrenzt ist. Dies kann zu einer Frustration führen, die durch noch mehr Aufwand zu kompensieren versucht wird – es entsteht eine chronische Stresssituation. Weil die gesamte Energie nunmehr in den Beruf gesteckt wird, lässt das Engagement ausserhalb der Arbeit nach. Irgendwann folgt eine Phase der Resignation, in der sich oft auch physische Symptome bemerkbar machen. Das können beispielsweise Schlafprobleme, Herzrasen oder Gewichtsschwankungen sein. Meist werden auch die zuvor erwähnten Hauptsymptome erst in dieser Phase sichtbar: enorme emotionale Erschöpfung, Distanzierung von anderen Personen und Abnahme der Leistungsfähigkeit.

Gibt es bestimmte Berufsgruppen oder -funktionen, die besonders betroffen sind?

Ob auf dem Bau oder im Büro – grundsätzlich ist ein Burn-out weder an eine bestimmte Branche noch an ein bestimmtes Alter oder eine bestimmte Berufsfunktion gebunden. Allerdings lässt sich eine Tendenz ausmachen, dass Personen in mittleren Managementpositionen sowie Selbstständige eher von einem Burn-out betroffen sind. Bei der ersten Gruppe liegt der Grund vor allem darin, dass diese Menschen mit grossem Druck umgehen müssen, da sie sich sowohl von «oben» als auch von «unten» mit gesteigerten Anforderungen konfrontiert sehen. Das wiederum kann chronischen Stress auslösen, der letztendlich zu einem Burn-out führt. Auch bei Selbstständigen besteht ein erhöhtes Risiko, da sie mit einer Vielzahl von Verantwortlichkeiten umgehen müssen und die eigene Person sehr eng mit der Firma verbunden ist.

Mit welchen Massnahmen kann man chronischem Stress und somit einem Burn-out vorbeugen?

Stress ist nicht per se etwas Negatives, denn er kann uns zu Bestleistungen antreiben. Gefährlich wird es erst, wenn jemand Stress nicht mehr abbaut. Stress ist dann keine Herausforderung mehr, sondern nur noch eine Belastung, die mit den eigenen Ressourcen nicht mehr bewältigt werden kann und zu einem Gefühl der Aussichtslosigkeit führt. Umso wichtiger ist ein positives Stressmanagement. Damit sind Methoden gemeint, die helfen, vermeidbaren Stress zu minimieren und mit unvermeidbarem Stress in einer positiven Art umzugehen. Das fordert mentale Strategien wie eine kognitive Umstrukturierung beziehungsweise die Transformation des eigenen Stress-Mindsets. Zudem geht es darum, dass eine Person belastende Stressfaktoren erkennt und lernt, mit diesen «gesund» umzugehen. Mittel dazu sind beispielsweise realistische Zeit- und Zielvorgaben, Priorisierungen und der soziale Austausch sowohl im Unternehmen als auch im privaten Umfeld. Selbstständige, bei denen die soziale Unterstützung im Unternehmen manchmal nicht gegeben ist, müssen positive soziale Interaktionen umso mehr im privaten Umfeld finden. Weitere Strategien zur Stressbewältigung sind sportliche oder kreative Betätigungen. Auch Meditation, Achtsamkeitstrainings oder schon nur das Schauen eines Films können helfen, Emotionen zu lösen und somit inneren Stress abzubauen.

Was kann ich tun, wenn ich an einem Burn-out leide – wo bekomme ich Hilfe?

Grössere Firmen verfügen im Rahmen des betrieblichen Gesundheitsmanagements (BGM) meist über eine interne Vertrauensstelle, an die sich Mitarbeitende wenden können. Ist keine solche vorhanden, können Firmen oder Geschäftsführer*innen ihren Mitarbeitenden über Fachstellen –beispielsweise die AEH – eine externe Vertrauensstelle für eine anonyme Erstberatung anbieten. Für alle Personen offen und jederzeit zugänglich sind Organisationen wie «Die dargebotene Hand». Diese steht Menschen in schwierigen Lebenslagen unter der Nothilfenummer 143 sowie per Mail oder Chat (www.143.ch) bei. Wenn jemand Anzeichen eines Burn-outs bei sich bemerkt, ist es wichtig, sich an eine der genannten Stellen zu wenden. Ein erstes Gespräch hilft, Schritte einzuleiten, um einem Burn-out entgegenzuwirken und möglichst bald wieder einem gesunden Arbeitsalltag nachzugehen.

Gibt es etwas, das sie Betroffenen mit auf den Weg geben möchten?

Obwohl betroffene Menschen oftmals das gegenteilige Gefühl haben, ist ein Burn-out nichts, wofür man sich schämen muss, und hat nichts mit eigenem Versagen zu tun. Zudem ist es nie zu spät, etwas gegen ein Burn-out zu unternehmen – man ist nicht verloren. Es gibt professionelle Hilfe, die man auf jeden Fall in Anspruch nehmen kann und sollte, wenn man mit der Situation nicht mehr zurechtkommt.

Veranstaltung zum Thema «Burn-out-Prävention»

Baloise will Unternehmer*innen und Gründer*innen für das Thema «Burn-out» sensibilisieren und bietet – in Zusammenarbeit mit dem AEH-Zentrum für Arbeitsmedizin, Ergonomie und Hygiene – interessierten Personen die kostenlose Teilnahme an einem Webinar am 15. September (in Deutsch) beziehungsweise am 16. September (in Französisch) an. Zwei Fachreferentinnen geben den Teilnehmenden unter anderem einen Überblick über die Früherkennungsmerkmale von chronischem Stress und zeigen konkrete Strategien zu einem erfolgreichen Stressmanagement und Ressourcenaufbau auf. Zudem können sich Unternehmer*innen und Gründer*innen einen einstündigen Individual-Coaching-Slot reservieren. Insgesamt bietet Baloise im Rahmen der Online-Veranstaltung zwölf Einzelcoachings pro Event-Tag an, sechs in Deutsch und sechs in Französisch. Anmeldungen und Informationen finden sich unter baloise.ch/burnout-event.

baloise.ch

Lisa Fässler ist Psychologin und Expertin für betriebliches Gesundheitsmanagement beim AEH-Zentrum für Arbeitsmedizin, Ergonomie und Hygiene.

 

 

www.baloise.ch