Vor genau 100 Jahren wurde in Muttenz die Siedlungsgenossenschaft Freidorf gegründet. Damit entstand die Vision der ersten Vollgenossenschaft der Schweiz, umgesetzt von Bernhard Jäggi, entworfen und gebaut vom späteren Bauhausdirektor Hannes Meyer. In der im Christoph-Merian-Verlag erschienenen Publikation «das Freidorf – die Genossenschaft» wird nun das Leben in einer aussergewöhnlichen Siedlung, welche internationale Ausstrahlung geniesst, beschrieben.
Die aufblühende Industrie in Basel Anfang des 20. Jahrhunderts zog Tausende einkommensschwache Familien in die Umgebung. Doch der Wohnraum war knapp und die Lebensumstände der Arbeiterfamilien waren schlecht. Auch aufgrund dieser Umstände wurde 1919 die Siedlungsgenossenschaft Freidorf gegründet. Den Gründern des Freidorfs um Bernhard Jäggi, Präsident des Verbands schweizerischer Konsumvereine (heute Coop), schwebte neben fairen Warenpreisen und einem Leben in Würde noch viel mehr vor: eine genossenschaftliche Gesellschaftsform, die die Sozialismus verwirklichen sollte.
Mitten auf der grünen Wiese zwischen Basel und Muttenz erbaute Architekt Hannes Meyer eine Mustersiedlung aus 150 Reihen-Einfamilienhäusern in Form einer Gartenstadt. Das Freidorf war von Anfang an mehr als ein Bauprojekt. Die Gründer und Siedler verfolgten eine Ideologie der Selbstversorgung und der Selbstverwaltung. Die gebaute Architektur sollte einen genossenschaftlichen Lebensstil möglich machen. Das Freidorf wurde zu einem Vorzeigeprojekt, einer Genossenschaft, die Antrieb und Inspiration für unzählige weitere Genossenschaften war und auch heute noch ist. Es durchlebte aber auch dunkle Tage: finanzielle Abgründe, ideologische Richtungswechsel, Konflikte mit der Denkmalpflege.
Auch wenn die Siedlung heute nicht mehr frei auf einer grünen Wiese steht, bleibt sie eines der bedeutendsten Baudenkmäler der Schweiz. Noch immer ist das Freidorf eine Gemeinschaft, welche sich nicht auf das Ökonomische reduziert, sondern durch ein vielfältiges genossenschaftliches Leben geprägt ist. Die reich bebilderte und mit originalen Bauplänen versehene Publikation behandelt Aspekte der Architektur- wie auch der Sozialgeschichte. Zehn Porträts von Bewohnerinnen und Bewohnern geben ausserdem einen Einblick in das aktuelle Leben und die Gemeinschaft im Freidorf. Eine ausführliche, bebilderte Chronik vervollständigt die Publikation. Dieses Buch ist insofern einmalig, als es die Siedlungsgenossenschaft Freidorf in einer Innen- und Aussensicht darstellt. Nicht die schöne Fassade steht dabei im Vordergrund, sondern die Siedlung mit ihren Siedlerinnen und Siedlern in ihrer «wirklichen» Umgebung. Damit erzählt dieses Buch von guten und schwierigen Zeiten, von wichtigen Meilensteinen und Anekdoten von der Geburt der Genossenschaftsidee bis zur 100-Jahr-Feier des Freidorfs diesen September, wobei oft Verknüpfungen von damaligen zu heutigen Entwicklungen geschaffen werden.
Die sechs Kapitel werfen jeweils einen Blick auf einen bestimmten Zeitabschnitt oder einen interessanten Sachverhalt rund um das Freidorf. Das Buch macht anhand dieser Kapitel und zusammen mit einer Vielzahl historischer und aktueller Bilder sowie originalen Bauplänen die spannende Geschichte des Freidorfs greifbar. Die kurzen Personenporträts zwischen den Kapiteln schaffen zudem einen persönlichen Bezug und Einblick in das Leben im Freidorf.