Ein aus Avenergy Suisse und Vertretern der Automobil-, Transport-, Luftfahrt-, Gebäude- und Mineralölbranche sowie der SVP bestehendes Komitee hat im Januar mit über 110’000 Unterschriften – rund doppelt so viele wie notwendig – das Referendum gegen das neue CO2-Gesetz ergriffen. Somit hat die Stimmbevölkerung das letzte Wort bei dieser wichtigen Vorlage, über die voraussichtlich am 13. Juni 2021 abgestimmt wird.
Avenergy Suisse vertritt die Interessen der Importeure flüssiger Brenn- und Treibstoffe. Die Mitglieder von Avenergy Suisse gewährleisten die Versorgungssicherheit mit flüssigen Brenn- und Treibstoffen – den wichtigsten Energieträgern des Landes. Der Verband sorgt dafür, dass die Qualität dieser hochwertigen Produkte in jedem Fall sichergestellt ist. Die hohen Qualitätsstandards gelten sowohl für die konventionellen Erdölprodukte als auch für
die erneuerbaren Energien, also zum Beispiel Biotreibstoffe.
Die Mitglieder von Avenergy Suisse wickeln den Import der Energieträger ab und organisieren ihre Lagerung und Verteilung am Markt. Sie betreiben Pflichtlager der Brenn- und Treibstoffe, damit den Haushalten und der Wirtschaft auch bei einem allfälligen Nachschubproblem die Energie nie ausgeht. Die Mitglieder von Avenergy Suisse unterhalten
zudem eines der dichtesten Tankstellennetze in Europa und gewährleisten damit die reibungslose Energieversorgung für die Menschen und die Wirtschaft unterwegs. Etwa 40 Prozent der Gebäude in der Schweiz werden mit Öl beheizt. Die Mitglieder von Avenergy Suisse und Swissoil garantieren den zuverlässigen Nachschub an Wärmeenergie. In vielen
Regionen der Schweiz ist Heizen mit Öl immer noch die bewährteste und beliebteste Lösung. Moderne Heizungen erlauben, den Energieverbrauch und den CO2-Ausstoss im Vergleich zu älteren Modellen deutlich zu senken. Im Interview mit dem «Geschäftsführer» spricht der promovierte Agrar-Ingenieur Roland Bilang, der seit 2013 die Geschäfte von Avenergy Suisse führt, über die Bedeutung der Mineralölbranche in der Schweiz und erklärt, weshalb das CO2-Gesetz in die falsche Richtung geht.
«Geschäftsführer»: Fast 60 Jahre nach der Gründung hat sich die Erdöl-Vereinigung Ende Juni 2019 in Avenergy Suisse umbenannt. Weshalb – und war damit auch ein Strategiewechsel verbunden?
Roland Bilang: Avenergy, der erste Teil des Verbandsnamens, ist aus zwei Begriffen zusammengesetzt: «avenir» – auf Französisch Zukunft – und «energy». Der Name Avenergy Suisse ist damit Programm. Er steht für die Zukunft der Energie in der Schweiz. Die Mineralölbranche unterstreicht damit, dass sie bei der Entwicklung der schweizerischen Energielandschaft weiterhin eine aktive Rolle einnimmt. Dabei steht die Branche in der Verantwortung, ihren Teil zu einer klimafreundlichen Energiezukunft beizutragen. Dies tut sie, indem sie schon seit Jahren mehr und mehr CO2-neutrale Brenn- und Treibstoffe anbietet und die entsprechende Forschung und Entwicklung auch mit Partnern wie beispielsweise der EMPA vorantreibt.
Haben fossile Energien überhaupt noch eine Zukunft? Welche Rolle könnten zum Beispiel biogene und synthetische Treibstoffe zukünftig spielen?
Biogene und vor allem synthetische Treib- aber auch Brennstoffe werden einen wesentlichen Beitrag zur Erreichung der Klimaziele leisten, zu denen sich die Schweiz verpflichtet hat. So viel steht fest. Gerade aus diesem Grund engagieren sich die Mitgliedsunternehmen von Avenergy Suisse in diesen Bereichen. Ein Beispiel sind die Wasserstofftankstellen, die in den vergangenen Wochen und Monaten eröffnet wurden. Ein anderes Beispiel sind die CO2-neutralen biogenen Anteile, die den Treibstoffen schon seit
einigen Jahren beigemischt werden – alleine im vergangenen Jahr konnten dadurch mehr als 600’000 Tonnen CO2 vermieden werden. Das entspricht praktisch der Menge an CO2 aus sämtlichen Kompensationsmassnahmen. Bei allen Anstrengungen zur Erreichung der Klimaziele bleibt aber auch das Kerngeschäft unserer Mitglieder anspruchsvoll. Es geht um die Sicherstellung der täglichen Energieversorgung unseres Landes. Als Importeure und Produzenten des mit Abstand bedeutendsten Energieträgers haben wir für das reibungslose Funktionieren unserer Wirtschaft und Gesellschaft Gewähr zu leisten.
Weshalb geht das CO2-Gesetz Ihrer Meinung nach in die falsche Richtung?
Mit dem neuen CO2-Gesetz wird es zwar nicht de jure, aber de facto verboten, neue Öl- und Gasheizungen einzubauen. Stattdessen werden künftig erneuerbare Heizungen wie beispielsweise Wärmepumpen vorgeschrieben – egal, ob diese technisch oder ökologisch sinnvoll sind oder nicht. Zudem verteuert es Benzin und Diesel um 12 Rappen pro Liter.
Die Abgabe auf Heizöl und Gas wird mehr als verdoppelt. Und es wird eine neue Steuer von maximal 120 Franken auf Flugtickets eingeführt. Diese Massnahmen belasten die Bevölkerung und das Gewerbe massiv: Für eine vierköpfige Familie können so rasch über 1000 Franken Mehrkosten pro Jahr entstehen.
Aber darf uns der Klimaschutz nicht auch etwas kosten?
Doch, aber nur, wenn das CO2-Gesetz tatsächlich einen positiven Einfluss auf das Klima hat. Dies ist nachweislich nicht der Fall, denn die Schweiz ist gerade einmal für einen Tausendstel des weltweiten CO2-Ausstosses verantwortlich. Selbst wenn wir von heute auf morgen unseren CO2-Ausstoss auf null herunterfahren würden, hätte dies keinen Einfluss auf das Weltklima. Hinzu kommt, dass die Schweizer Bevölkerung ihren CO2-Ausstoss
pro Kopf in den vergangenen zehn Jahren um rund 20 Prozent reduziert hat. Eine Fortführung dieser Entwicklung resultiert bis 2030 in weniger als der Hälfte des Pro-Kopf-Ausstosses von 1990. Die Zahlen belegen: Unser Land ist klimapolitisch auf dem richtigen Weg. Ein CO2-Gesetz voller Verbote und neuer Steuern ist überflüssig und schadet der Wirtschaft. Der Weg hin zur angestrebten Klimaneutralität ist nur möglich über Forschung,
Innovation – hier ist die Schweiz führend – und nachhaltige Anreizsysteme, nicht über Verbote, Vorschriften und neue Steuern. Gefragt sind nachhaltige Massnahmen, nicht planlose Symbolpolitik.
Welche Änderungen zum verabschiedeten Gesetz streben Sie an?
Das Parlament hat das CO2-Gesetz komplett überladen. Einige Artikel sind derart kompliziert geschrieben, dass selbst Experten sie kaum verstehen. Die neuen Benzin-, Diesel-, Heizöl- und Flugticketsteuern sollen in einen «Klimafonds» fliessen, aus dem die Verwaltung dann wahllos Geld verteilen kann. Dafür sollen der Ausbau und der Unterhalt der Strassen vernachlässigt werden. Dagegen wehren wir uns. Auch dass die Zugabe von biogenen Anteilen im Treibstoff nicht mehr steuerbefreit sein soll, ist natürlich für das Klima kontraproduktiv. Darum muss das CO2-Gesetz von Grund auf überarbeitet werden. Einzelne Paragraphen zu ändern, bringt hier nichts mehr.
Ist das Ziel «Netto Null» CO2-Emissionen bis 2050 realistisch?
Wir halten das für sehr ambitioniert. Aber orientieren wir uns doch an der Tatsache, dass wir uns in der Schweiz – anders als in den meisten anderen Staaten – bereits auf einem Absenkpfad befinden. Das CO2-Gesetz stellt nun diese Fortschritte aufs Spiel.
Wie kommentieren Sie die Stimmfreigabe des Gewerbeverbandes, der sich ja noch an der Unterschriftensammlung für das Referendum beteiligt hatte, und die Ja-Parole von Economiesuisse, aus der Avenergy Suisse und Auto-Schweiz, der Verband der Autoimporteure, kürzlich ausgetreten sind?
Die gefassten Beschlüsse kommen für uns nicht überraschend: Bei Economiesuisse sind Grosskonzerne, Banken und Versicherungen führend, die der Meinung sind, dass sie von den Auswirkungen des CO2-Gesetzes nicht betroffen sein werden – was nachweislich nicht stimmt. In der Gewerbekammer und im sgv-Vorstand wiederum besteht eine grundsätzliche Mehrheit für eine Nein-Parole. Die Gewerbekammer hat dann aber, um den inneren Frieden zu wahren, sehr knapp die Stimmfreigabe beschlossen. Wir haben ohnehin nicht mit der Unterstützung der Dachverbände gerechnet. Denn am meisten betroffen von diesem Gesetz ist die breite Bevölkerung – Familien, Rentnerinnen und Rentner, Konsumenten, Autofahrerinnen und Autofahrer, die Landbevölkerung, kleine und
mittlere Unternehmen, kurz: der Mittelstand. Für diese Gruppen setzen wir uns ein und sie sind es, die am Ende an der Urne entscheiden werden.
Avenergy Suisse hält auch die Strategie «Nachhaltige Entwicklung 2030» des Bundesamts für Raumentwicklung (ARE) für «unausgegoren sowie nicht zielführend und fordert eine Überarbeitung » und ist der Meinung, «dass die Schweiz mit dem angestrebten Weg in ein massives Energieversorgungsproblem schlittern wird». Was sind Ihre Kritikpunkte?
Die Strategie berücksichtigt weder das Bevölkerungswachstum – und den damit einhergehenden steigenden Energiebedarf – noch den mittelfristigen Wegfall der Kernenergie. Auch wie der geforderte Ersatz der fossilen Energieträger realistisch bewältigt werden kann, lässt das ARE offen. Das Bundesamt geht also weder auf die Warnungen der Eidgenössische Elektrizitätskommission ElCom vor drohenden Stromengpässen noch auf die Besorgnis des Bundesamts für Bevölkerungsschutz in Bezug auf einen Blackout ein. Mit anderen Worten: Das Thema Versorgungssicherheit wird in der Strategie nicht mit der gebotenen Ernsthaftigkeit behandelt. Darum ist sie unausgegoren und muss dringend
überarbeitet werden.