Die Konzentration auf das Wesentliche

von Bernhard Fringeli

Fringeli Bernhard - Heimleiter - Alters- und Pflegeheim FRENKENBÜNDTEN Liestal

Wer kennt sie nicht? Die Maslowsche Bedürfnishierarchie des US-amerikanischen Psychologen Abraham Maslow (1908–1970). Sie beschreibt auf vereinfachende Art und
Weise menschliche Bedürfnisse und Motivationen und versucht, diese zu erklären. Maslow stellte fest, dass manche Bedürfnisse Priorität vor anderen haben. Sind körperliche Bedürfnisse und unser Bedürfnis nach Sicherheit befriedigt, taucht eine neue Reihe von Bedürfnissen auf. In unserem Alltag sind wir uns dessen nicht ständig bewusst. Wir erleben
diese Bedürfnishierarchie auch nicht so schematisch, wie sie oft in Form einer Pyramide dargestellt wird. Die letzten Monate und Wochen der Pandemie machten uns aber schlagartig und zum Teil auch schmerzlich bewusst, dass nicht alle unsere Bedürfnisse
mit der gewohnten Selbstverständlichkeit erfüllbar bleiben. Verzicht und Reduktion waren und sind angesagt. Konflikte und Debatten sind damit vorprogrammiert.

Deutlich wurde dies insbesondere in den Alters- und Pflegeheimen unseres Landes. Schutz des Lebens um jeden Preis oder Gewähren von sozialen Kontakten und Normalität? Im Frühjahr 2020 versuchte man hauptsächlich die Gesundheit zu schützen. Dies führte dazu, dass die Bewohnerschaft soziale Kontakte zu ihren Angehörigen weitgehend aufgeben mussten. In der zweiten Welle verzichtete man auf flächendeckende Heimschliessungen und harten Lockdown. Mit zunehmendem Verlauf der Pandemie zeigt sich nun, welchen Preis an Lebensjahren dafür bezahlt werden muss!

Die individualistische Sicht auf Bedürfnisse stösst an ihre Grenzen. Ökonomische Fragen heizen die Debatte weiter an. Ist es richtig, wirtschaftliche Existenzen zu bedrohen oder sogar zu vernichten, um Leben zu schützen? Wir werden die Herausforderung der Pandemie in absehbarer Zeit meistern. Disziplin und die Chance flächendeckender Impfungen werden dies ermöglichen. Im reichsten Land der Welt müsste es gelingen, wirtschaftliche Existenzsicherung zu gewährleisten und gleichzeitig Menschenleben zu schützen.

Wenn die Pandemie vorbei ist, wollen wir wieder in unsere Restaurants, ins Theater, ans Konzert und in die Ferien reisen. Also ist es richtig, ein Überleben dieser Strukturen
zu ermöglichen. Den Preis dafür sollten aber nicht jene bezahlen, die in Heimen leben und auf Hilfe angewiesen sind. Die «Kriegsgeneration» hat die Schweiz mit ihrem Wohlstand aufgebaut und bezahlt notabene bis heute Steuern.

Unsere Gesellschaft wird in den nächsten Jahren weiterhin mit den Herausforderungen
des Alters konfrontiert sein. Trotz ambulanter Strukturen sind Pflegezentren notwendig. Schon heute stehen die Heime unter einem enormen wirtschaftlichen Druck. Den Bedürfnissen der Heimbewohnerschaft kann man nicht alleine mit der Abgeltung
einzelner Krankenkassenleistungen in der Grundversorgung entsprechen. Betreuungsleistungen, welche die sozialen Bedürfnisse befriedigen und Wertschätzung sowie Sinngebung vermitteln, sind zentral für die Lebensqualität im Heim. Diese Leistungen müssen heute und in Zukunft ausreichend finanziert werden.

WWW.FRENKENBUENDTEN.CH