Im Interview mit Bernhard Bauhofer hebt der Reputationsexperte die Wichtigkeit von Nachhaltigkeit im übergreifenden Sinne für die Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft hervor und plädiert bei der Bewältigung zentraler Herausforderungen wie des Klimawandels für eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen Unternehmen, der öffentlichen Hand und anderen Stakeholdern.
Herr Bauhofer: Welche Bedeutung hat Weihnachten als Fest der Liebe heute noch?
Eine grosse Bedeutung. Es ist der jährliche Reminder, dass wir aufeinander angewiesen sind und in einer (Schicksals-) Gemeinschaft leben. Doch leider währt dieses Bewusstsein nur kurze Zeit, und mit Beginn jedes neuen Jahres legen wir wieder unsere alten Verhaltensweisen an den Tag. Dabei ist dieses Wir-Gefühl überlebenswichtig, weil wir die grossen Herausforderungen wie den Klimawandel oder die Flüchtlingsproblematik nur gemeinsam bewältigen können. Stattdessen beobachten wir eine immer tiefere Spaltung – im Grossen wie im Kleinen, auf Ebene der Nationen, zwischen den Geschlechtern, zwischen den Parteien bis hinein in die Familien. Da uns die Zeit davonläuft, stellt sich das Auseinanderdriften der Menschen als die grosse Tragödie unserer Zeit dar.
Welchen Effekt hat hier die Corona-Pandemie und wie beurteilen Sie rückblickend die in Ihrem Buch gemachten Einschätzungen?
Ich betrachte die Pandemie als ein globales Experiment, in den wir alle – Länder, Gesellschaften, Unternehmen wie auch Einzelpersonen sowie Beziehungen zwischen den Menschen – auf den Prüfstand gestellt werden. Mein Taschenbuch „Corona. Einsichten fürs Leben“ habe ich gleich zum Beginn der Pandemie verfasst und über Book on Demand publiziert. Ich lag mit meiner Einschätzung, dass die Krise viel länger dauern wird als wir erhofften und massive Konsequenzen nach sich ziehen wird, wohl richtig. Auch mit den Auswirkungen auf die Art wie wir leben, arbeiten oder reisen. Die Pandemie hat viele Leben und Opfer gefordert und damit viel Leid verursacht – und es ist kein Ende in Sicht. Als Optimist hoffe ich jedoch auf eine auslösende Kraft dieses schockhaften Jahrhundertereignisses, mit dank dessen wir wirklich die Umkehr schaffen.
Alle Jahre wieder zeigen sich Unternehmer um die Weihnachtszeit an Benefiz-Veranstaltungen grosszügig oder spenden an karitative Einrichtungen. Macht das in Ihren Augen Sinn?
Wohlhabende Individuen wollen mit solchen Engagements etwas zurückgeben, einmalig spenden oder über eine Stiftung systematisch Hilfe leisten. Für eine Privatperson macht diese Philanthropie sehr wohl Sinn, insbesondere wenn sie mit einer starken intrinsischen Motivation oder einem einschneidenden persönlichen Erlebnis verbunden ist. Von Unternehmens-Philanthropie hingegen halte ich nicht viel. Unternehmen sollten ihre gesellschaftliche Verantwortung besser über eine nachhaltige, die gesamte Wertschöpfung umfassende Geschäftspolitik wahrnehmen. Die Interessen des Unternehmers sollten mit denen des Unternehmens nicht vermischt werden.
Unternehmer wie Bill Gates mit seiner Stiftung und seiner „Giving Pledge“-Initiative bewirken doch grosse Veränderungen…
Absolut – es gibt kaum eine Person, die wie Bill Gates mit grossem persönlichen und finanziellen Einsatz philanthropische Ziele verfolgt. Dass er jetzt von Verschwörungstheoretikern gar als Profiteur der Corona-Krise diffamiert wird, ist absurd. Undankbarkeit ist nun mal der Welten Lohn. Doch es braucht mehr als das individuelle Engagement der Superreichen, um den Zustand der Welt zu verbessern. Und hier haben vor allem die Konzerne innerhalb ihrer globalen Wertschöpfung einen grossen Hebel.
Geben Sie ein Beispiel…
Vorab muss mit dem Missverständnis aufgeräumt werden, dass nachhaltiges Wirtschaften mit einem Verzicht auf Profitabilität einhergeht. Mit der Transformation zu einem nachhaltigeren, ressourcenschonenden Wirtschaften erschliesst man neue Formen des Wachstums und Wohlstands. In diesem Sinne hat es in den letzten zehn Jahren grosse Fortschritte gegeben. Um nur ein Beispiel zu nennen: Indem der Detailhandel-Gigant Walmart rigoros das Gewicht der Verpackungen seiner Produkte reduziert und optimiert, spart er Material, Gewicht und somit Transportkosten ein, was wiederum mit einer verminderten Umweltbelastung einhergeht. Von diesen Massnamen profitieren schlussendlich auf die Konsumenten durch tiefere Preise. Auf dem Weg zur Nachhaltigkeit dienen den Unternehmen die 17 Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen als Blaupause. Dieses Rahmenwerk gilt es von den Unternehmen in der Praxis umzusetzen.
In welchen Bereichen können Unternehmen den grössten Beitrag leisten?
Die Existenzberechtigung von Unternehmen liegt in der Wertschöpfung und der Schaffung von Arbeitsplätzen. Daran wird sich auch in der Zukunft nichts ändern. Um dies zu tun, brauchen sie auch in Zeiten von Digitalisierung und künstlicher Intelligenz gut ausgebildete Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Die Förderung von Bildung ist also im ureigenen Interesse der Unternehmen. Jungen Menschen sollte – unabhängig von ihrem sozialen Status – der soziale Aufstieg möglich sein. Für dieses Anliegen können sich Unternehmen stark machen und in Eigeninitiative oder im Rahmen von Public-Private-Partnerships innovative Bildungsangebote schaffen.
Was begründet Ihren Optimismus?
Anders als die Politik, die von Natur aus spaltet, sind Unternehmen auf ein Miteinander angewiesen – innerhalb der Organisation wie auch in Zusammenarbeit mit externen Stakeholdern. Eine starke Kultur und Zusammenhalt sind für sie erfolgskritisch und von ihnen wird die Verfolgung eines „Purpose“, also eines Unternehmenszwecks erwartet, welcher der Gesellschaft dient. Mitarbeiter, Kunden und andere Stakeholder sind dabei ein wirkungsvolles Korrektiv, sollte ein Unternehmen nicht deren Erwartungen entsprechen.
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