Die Vorzeige-Unternehmerin

Interview mit Maura Wasescha von Denise Muchenberger

Maura Wasescha Portrait

Maura Wasescha ist heute eine erfolgreiche Immobilienunternehmerin in St. Moritz. Doch bis es soweit war, musste sie einige Hürden nehmen. Mit Geschäftsführer*in Basel spricht sie offen und ehrlich über ihren teils sehr steinigen Weg und sagt, was sie in all den Jahren am meisten angetrieben hat.

Die gebürtige Italienerin Maura Wasescha hat im italienischen Bormio nach der Matura die Hotelfachschule abgeschlossen. Eigentlich ein Studium in Mailand vor Augen, zog sie im Alter von 19 Jahren nach St. Moritz, um eine befristete Stellvertretung zu übernehmen. Sie heiratete und bekam zwei Kinder. Heute, über 40 Jahre später, gehört sie mit ihrem eigenen Immobilienunternehmen «Maura Wasescha AG» zu den Erfolgreichsten in ihrem Metier.

GESCHÄFTSFÜHRER*IN BASEL: Maura Wasescha, im Alter von 19 Jahren kamen Sie per Zufall aus Bormio nach St. Moritz und sind geblieben. Was verbinden Sie mit dieser Zeit?
Maura Wasescha: Tatsächlich hatte ich damals mit einem Studium in Mailand ganz andere Pläne. Aber als mein Cousin mich anrief und seine Notsituation schilderte, musste ich nicht lang überlegen. Meine Cousine war verunfallt und die beiden hatten Angst, dass sie die Stelle verlieren würde, wenn sie zu lange von der Arbeit fernbleibt. Also bin ich eingesprungen und habe im Bahnhofsbuffet in St. Moritz serviert. Dann habe ich meinen ersten Mann kennengelernt und zwei Kinder bekommen. Weil sein Gehalt nicht ausreichte, ging ich putzen. All meine Abschlüsse aus Italien wurden in der Schweiz nicht anerkannt, das war eine schmerzliche Erkenntnis. Auch hatte ich Mühe mit dem Schweizerdeutsch und habe teils Ablehnung gespürt, weil ich aus Italien komme. Es war sicher kein leichter Start.

Dass Sie dann 1981 als Putzkraft und Übersetzerin bei «Interhome» in St. Moritz angefangen haben, war wegweisend für Ihre weitere Karriere …
So ist es, denn ich traf dort auf meinen Förderer und Mentor Bruno Franzen. Er bot mir nach zwei Jahren eine Bürostelle an, weil er meine Sprachbegabung – ich sprach fünf Sprachen – erkannte. Auch war er beeindruckt von meiner Bestimmtheit und meiner Fröhlichkeit. Obwohl ich privat harte Zeiten durchmachte – die Ehe ging auseinander – war ich bei der Arbeit immer aufgestellt und mit einem Lächeln anzutreffen. Das hat ihm imponiert und er wollte mir die Möglichkeit bieten, mich in einem anderen Bereich als dem Putzen und Übersetzen zu beweisen.

Sie haben sich daraufhin bis zur Geschäftsführerin hochgearbeitet.
Ja, aber das war ein harter und intensiver Weg und hat mir viel abverlangt. Die männlichen Kollegen beäugten mich mit Argwohn, ich war ihnen ein Dorn im Auge. Mein Chef stand allerdings immer hinter mir, stärkte mir den Rücken und schenkte mir sein vollstes Vertrauen. Ich machte aus der Filiale St. Moritz die umsatzstärkste der Schweiz. Ich konnte frei walten, eigene Entscheide treffen und so in einem stetigen Lernprozess vorankommen, persönlich und beruflich. Daneben hatte ich als alleinerziehende Mutter zwei Kinder zu versorgen. Es war eine Mammutaufgabe, aber mein innerer Antrieb war riesig, es auch gerade jenen zu zeigen, die mich belächelten.

1998 machten Sie sich selbstständig. Was war der Zünder?
Als ich meinen zweiten Ehemann kennengelernt habe, bin ich ihm nach Bern gefolgt. Er war ebenfalls Unternehmer und hatte eine eigene Druckerei. Also dachte ich mir, dass ich dort einsteigen könnte. Wir bekamen noch zwei Söhne und hatten nun also vier Kinder zu versorgen. Doch irgendwann spürte mein Mann, dass etwas in mir arbeitete und ich immer wieder von ehemaligen Kundinnen und Kunden kontaktiert wurde. Er meinte, dass er ein Wochenende nach den Kindern schauen werde und ich irgendwohin fahren sollte, um rauszufinden, wie es weitergehen soll. Also bin ich für 48 Stunden in ein Benediktinerkloster nach Luzern gefahren.

Und dort kamen Sie darauf, dass Sie Immobilien im Luxussegment anbieten wollen?
In etwa so. Dort habe ich einfach gemerkt, dass die Immobilienbranche meine Berufung ist. Bei Interhome hatte ich zuletzt das Luxussegment mit Apartments im Sternebereich aufgebaut und etabliert. Also fuhr ich nach Bern zurück und wusste, was zu tun war: ein eigenes Unternehmen gründen, das exklusive Wohnungen und Apartments einer sehr exklusiven und vermögenden Klientel anbietet – verbunden mit weiteren Dienstleistungen und Services wie Innenausstattung oder etwa der Vermittlung von Angestellten für Haus und Garten.

Wie war der Start?
Harzig. Als ich bei vier Banken vorstellig wurde und um eine Finanzierung bat, haben alle abgewunken. Ich wurde mit meiner Geschäftsidee schlicht und einfach nicht ernst genommen. Auch mein Mann war skeptisch, hatte einige Bedenken. Das alles trieb mich enorm an, «jetzt erst recht» war mein Credo. Also habe ich mir einen Computer gekauft und eine Plattform erstellt, habe angefangen, mich zu vernetzen, Kundengespräche zu führen, Partnerschaften einzugehen – und bereits nach sechs Monaten hatte ich 16 Wohnungen im Portfolio. Meinem Mann hatte ich gesagt, dass ich nach sechs Monaten acht Objekte haben wolle, um die Idee weiterzuverfolgen.

In dieser Zeit waren Sie vierfache Mutter. Kamen da auch mal Zweifel auf, ob Sie das Richtige tun?
Ja, natürlich. Das Muttersein bedeutete mir alles und ich wünschte mir immer eine grosse Familie. Dennoch war es eine riesige Challenge, allem gerecht zu werden. Ich hatte eine Rolle als Ehefrau, als Mutter, als Hausfrau, aber gleichzeitig loderte da auch das Feuer in mir, Unternehmerin zu sein. Also kamen weitere Rollen dazu und ich musste mich als Chefin, Verhandlungspartnerin, Geschäftspartnerin, Unternehmerin behaupten. Für mich war einfach immer klar, dass Aufgeben keine Option ist, nie und nimmer. Auch in ganz schwierigen und intensiven Zeiten habe ich mir gedacht: Heute verliere ich, um morgen gewinnen zu können. Den Blick nach vorne zu richten, war gerade bei Niederlagen enorm wichtig für mich.

Was oder wer waren Ihre härtesten Gegner?
Als Frau wurde ich von einigen männlichen Kollegen in der Branche nicht respektiert und ich musste mich immer wieder mit meinen inneren Werten und Überzeugungen verbinden. Oftmals fehlte mir auch das Verständnis für dieses unfaire oder feindschaftliche Verhalten. Wenn ich jemanden sehe, der Erfolg hat, ist das für mich ein Beispiel, je nachdem auch eine Inspiration oder ein Vorbild. Aber Neid oder Missgunst empfinde ich anderen Menschen gegenüber nicht. Ich denke, das war in all den Jahren ein grosser und wichtiger Lernprozess: trotz aller Widrigkeiten und Widersacher bei meinen Zielen und meiner Passion zu bleiben, mich nicht beirren zu lassen und einfach weiterzumachen.

Ihre Passion für Ihre Arbeit hat auf Ihre Kinder abgefärbt. Ihr Sohn Michael Angelo soll ja einst das Unternehmen übernehmen …
Ja, so ist das geplant. Aber auch das war ein Prozess, der reifen musste. Als mich mein Sohn aus Kanada anrief und meinte, dass er bei mir anfangen möchte, war ich alles andere als erfreut. Die Branche ist tough und man möchte seine Kinder schützen. Ich habe mir über die Jahre eine dicke Haut zugelegt, vieles prasselt an mir ab, aber das kam alles mit den Jahren. Als er mich dann aufforderte, fünf gute Gründe zu nennen, weshalb er nicht einsteigen sollte, kam ich ins Nachdenken. Also gab ich mein Okay unter der Bedingung, dass er alles von der Pike auf lernen muss und nichts überspringen darf, nur weil er der Sohn der Chefin ist. So arbeiten wir langsam auf das Ziel hin, dass ich das Unternehmen operativ in circa fünf Jahren übergeben kann. Danach werde ich als Senior weiterhin beratend tätig sein und langjährige Kunden betreuen. Auch mit dem Loslassen wird ein Prozess auf mich zukommen, dem ich mich noch stellen muss.

Welche Tugend hat Ihnen am meisten geholfen, sodass Sie heute da stehen, wo Sie sind?
Ich habe immer wieder in mich hineingehorcht, viel meditiert und versucht, die eigene innere Kraft zu finden. Wenn man sich mit ihr verbindet, ist man durch fast nichts mehr aufzuhalten. Ich wusste immer, dass ich irgendwann meine eigene Chefin sein würde, und hatte diese Vision vor Augen. Peu à peu ging ich den Weg weiter, lernte dabei vieles, scheiterte oft und hatte auch Momente der Verzweiflung. Aufgeben war, wie gesagt, nie ein Thema für mich, das hat mich wahrscheinlich zu dem gemacht, der ich heute bin: ein Mensch, der jeden Tag wirklich gerne zur Arbeit geht und viel Dankbarkeit und Demut empfindet. Das Leben hat es gut mit mir gemeint.

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