Ein Fest für das Auge

Impression aus Celestino Piattis Privatarchiv, aufgenommen 2021.

Virtuos spielte der Schweizer Grafiker und Illustrator Celestino Piatti (1922 – 2007) auf der Klaviatur der Fantasie, Farben und Formen. Sein unverkennbarer farbintensiver Konturenstil findet sich auf über 6 000 Buchcovern für den Deutschen Taschenbuch Verlag (dtv). Nun würdigt der opulente Bildband Celestino Piatti: Alles, was ich male, hat Augen / Everything I Paint Has Eyes (Christoph Merian Verlag) den herausragenden Grafiker anlässlich seines 100. Geburtstags. Das Buch feiert Piattis formal vielfältiges Werk mit etwa 400 ausgewählten Arbeiten,einem umfassenden Blick auf seine Biografie, zahlreichen bisher unveröffentlichten Bildern und Fotos aus dem Privatarchiv der Familie.

Eulen und Raubkatzen, überhaupt viele Tiere bevölkern Piattis Entwürfe. Im Zoo, auf Reisen, beim Essen, einfach überall fand er Inspiration. Sein Atelier, Piattis Selbstverständnis als Gebrauchsgrafiker entsprechend eher grafisch-
handwerkliche Werkstatt als Künstleratelier, zeugt bis heute von seiner sprühenden Kreativität, vom unermüdlichen Experimentieren mit Tinte, Tusche, Farben und Typografien.

Nahezu legendär ist die jahrzehntelange Zusammenarbeit mit dtv in München. Ab 1961 schuf er Tausende von Buchumschlägen und verantwortete als Art Director das Gesamterscheinungsbild des jungen Verlags.

Eine grosse Ära der Buchkunst, die Eingang in das visuelle Gedächtnis gefunden hat. Das gilt auch für viele seiner über 500 Plakat-Auftragsarbeiten. Mitte der achtziger Jahre – damals galt er bereits als Europas bedeutendster Gebrauchsgrafiker – positionierte Piatti sich mit Plakaten für Menschenrechte, kulturelle Belange oder gegen rechte Strömungen – auf seine Art: «Mit meiner Grafik schütte ich Gräben zu». Stets freundlich und redlich beeindruckte er mit Intelligenz, Lebenslust und Pfiffigkeit – Wesenszüge, die in seine Arbeit einflossen und seine handwerkliche sowie künstlerische Könnerschaft kongenial ergänzten.

Bewusst kombiniert das Buch ikonische Werke mit unveröffentlichten Arbeiten. Enge Wegbegleiterinnen und -begleiter, Zeitzeuginnen und Grafikexperten kommen zu Wort, erzählen von Piattis Lebensstationen, beleuchten einzelne Arbeiten und Techniken und stellen sie in den Zusammenhang des Gesamtwerkes. «Beinahe jede Zeichnung von mir hat irgendwo ein Auge», stellte Piatti 1969 in einem Interview fest. Unserem Auge bietet sich seine Lebensarbeit in diesem Bildband wie ein faszinierendes Füllhorn dar. Entstanden in der Epoche der analogen Grafik, sind seine Arbeiten durch ihre universelle Farb- und Formensprache zeitlos und werden als kulturelles Erbe lebendig bleiben.

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