«Erfahrung» vermehrt nutzen!

von Saskia Schenker

Mein Vater ist zum guten Glück mit seinen 71 Jahren jung geblieben, fit und gesund. Als eidgenössisch diplomierter Sanitärinstallateur hat er viele Jahre in unterschiedlichen Funktionen auf dem Bau gearbeitet und das Handwerk von der Pike auf gelernt. Später verantwortete er dann bis zu seiner Pensionierung als technischer Berater die Region Nordwestschweiz für ein weltweit erfolgreiches Sanitärunternehmen und gab Schulungskurse für angehende Berufsleute. Es gibt wahrscheinlich kein technisches Sanitärproblem auf einer Baustelle, das er nicht schon einmal gelöst hat. Als er mit 65 Jahren pensioniert wurde, machte ich mir keine Sorgen darüber, was er nun tun würde, denn mein Vater war und ist bis heute auch neben dem Beruf vielfältig engagiert.
Gleichzeitig war ich nicht überrascht, als er knapp ein Jahr nach der Pensionierung bei einer Sanitärfirma eines Kollegen wieder anfing, niederprozentig zu arbeiten und sein Fachwissen einzubringen.

«Erfahrung», das ist es, was die älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ausmacht – auch jene, die noch nicht im Referenzalter für die Pensionierung sind. Unabhängig voneinander haben mir kürzlich eine Unternehmerin und ein Unternehmer von KMU
ganz unterschiedlicher Branchen mitgeteilt, dass die Anstellung einer Person über 55 Jahren «der beste Entscheid war, den ich bei der Rekrutierung je getroffen habe». Beide berichteten, dass die neu angestellte Person mit ihrer Seniorität Ruhe ins ganze Team bringe und aufgrund der Erfahrung rasch hohe Anerkennung erfuhr. Die Erkenntnis über die Vorteile älterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nimmt zu.

Allerdings hält sich das Argument hartnäckig, dass Arbeitgeber nicht gerne ältere Personen anstellen. Dem widersprechen unsere Beobachtungen und auch die Zahlen klar, denn die älteren Menschen sind äusserst gut in den Schweizer Arbeitsmarkt integriert. So steigt die Arbeitsmarktbeteiligung der älteren Bevölkerung seit Jahren. Interessant ist auch, dass statistisch die Frühpensionierungen zurückgehen – eben gerade, weil wir heute ab 55 Jahren fitter und gesünder sind als noch vor Jahren und viele Menschen auch gerne länger im Arbeitsmarkt tätig sind. Im Alter zwischen 65 und 69 Jahren sind in der Schweiz immer noch fast 22 Prozent der Personen aktiv – und im Alter zwischen 70 und 74 Jahren noch knapp zwölf Prozent.

Die Arbeitslosigkeit bei der Bevölkerungsgruppe zwischen 55 und 64 Jahren ist im Vergleich zu anderen Altersgruppen über die letzten Jahre meist etwas tiefer und somit unterdurchschnittlich (Quellen BFS, OECD). Wenn aber jemand über 55 Jahre arbeitslos wird, dauert es länger, bis er oder sie wieder in den Arbeitsmarkt integriert ist. Das hat verschiedene Ursachen, denen auch die Arbeitslosenversicherung Rechnung trägt, indem ab dem 55. Altersjahr ein längerer Leistungsbezug möglich ist.

Den erfreulichen Zahlen wird trotzdem oft entgegnet, dass man ältere Menschen kenne, die gerne arbeiten, aber keine Chance auf dem Arbeitsmarkt hätten. Wir als Arbeitgeberverband sind überzeugt, dass das Potenzial der älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer – auch jener über dem Pensionierungsreferenzalter von 65 Jahren – noch besser genutzt werden kann und sollte. Ich denke auch an Frauen, die längere Zeit zu Hause waren und nach dem Auszug der Kinder wieder den Einstieg in den Arbeitsmarkt suchen. Sie bringen viel (Lebens-)Erfahrung und Motivation für den nächsten Lebensabschnitt im Berufsleben mit. Gerade in Zeiten des Arbeitskräftemangels gilt es, den Fokus bei der Rekrutierung auf das inländische noch nicht ausgeschöpfte Potenzial zu legen. Das bringt auch einen unternehmerischen Vorteil, denn diese Zielgruppe bleibt einem Betrieb meist (mindestens) noch zehn Jahre erhalten.

SASKIA SCHENKER
Direktorin des Arbeitgeberverbands Region Basel
Arbeitgeberverband Region Basel
St. Jakobs-Strasse 25
Postfach
CH-4010 Basel
Telefon +41 (0) 61 205 96 00
info@arbeitgeberbasel.ch
WWW.ARBEITGEBERBASEL.CH