Eine neue Software sollte, insbesondere wenn es um eine ERP-Lösung geht, gut vorbereitet, implementiert und verwaltet werden. Nun gibt es in der Schweiz die Qual der Wahl. Es gibt einige grosse Anbieter, aber auch kleinere Lösungen, manchmal auf Branchen zugeschnitten. Man hat die Qual der Wahl. Es stellt sich die zentrale Frage, wie man die richtige Lösung findet.
Das folgende Interview mit Nihat Bakimci, CEO der Avacone AG, und Daniel Müller von der Geschäftsleitung der MCT-INFORMATIK AG leuchtet die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der IT-Herausforderungen für KMU-Verantwortungsträger aus.
«Geschäftsführer»: Sie sprechen von Ihrem Unternehmen als etabliertem Systemhaus in der Nordwestschweiz mit Netzwerk- und ERP-Lösungen. Was verstehen Sie darunter?
Daniel Müller: Um dies zu beantworten, gilt es einen Blick auf die Geschichte zu werfen. Vor dreissig Jahren hat die EDV auch in kleinere Unternehmungen Einzug gehalten. Es ging schon damals darum, die Abläufe zu vereinfachen und damit effizienter zu gestalten. Allerdings standen oft wenige Computer vielen Mitarbeitern zur Verfügung. Nur die grossen Systeme, beispielsweise von IBM, waren schon netzwerktauglich. Da war alles noch sehr starr und teuer aufgestellt. Aber man konnte sich die Arbeit teilen. Novell war das erste Unternehmen, welches eine bezahlbare Netzwerklösung anbieten konnte. Diese Lösung benötigte dann auch einen Server und man konnte Clients anbinden. Dazu passten dann eine Handvoll betriebliche Softwarelösungen …
…beispielsweise eine Lösung für die Buchhaltung?
Genau. Die Kombination aus Vereinfachung der Abläufe und Bezahlbarkeit war die Voraussetzung für einen Massenmarkt. Und das ist auch heute noch so.
Ein ERP-System dient zunächst der Optimierung von Prozessen. Aber eigentlich geht es um die Struktur eines ganzen Unternehmens, um Unternehmensabläufe, die end-to-end (so der Fachterminus) angelegt sind. Folgendes Bild war und ist manchmal noch in KMU anzutreffen: Ein ERP-System ist im Einsatz, oftmals ist es aber zu gross und / oder falsch dimensioniert. Zudem gibt es Nebensysteme oder Papierprozesse, die für Unterbrechungen sorgen und die Effizienzsteigerungen in Frage stellen. Ist das immer noch die grosse Herausforderung?
Anfänglich war dies so. Vor allem, wenn wir von Unternehmen sprechen, die einerseits technische Lösungen, beispielsweise zur Maschinensteuerung, benötigten und andererseits die Büroadministration abdecken mussten. Unter ERP versteht man zunächst aber nur die Zusammenfassung von unterschiedlichen Aufgaben im Office. Das geht von einer simplen
Adressverwaltung bis zur Kostenstellenrechnung. Dann kommen aber weitere Module dazu. Nehmen Sie die Fakturierung oder die Logistik, die dann schon in den Produktionsablauf hineinreicht. Und dann mussten auch noch die Maschinen gesteuert und überwacht werden. Letzteres ging lange über den Papierweg.
Sie sprechen aber von der Vergangenheit. Heute sind wir ja alle in einer Cloud und decken alle Bereiche ab.
Beim Thema Cloud argumentieren wir defensiver als Sie. Bezüglich Stabilität und Sicherheit von Cloudlösungen ist die Technologie ohne Frage besser geworden. Trotzdem kennen wir Kunden, die eine Cloud eingesetzt haben und heute wieder mit einer lokalen Serverumgebung arbeiten. Wenn beispielsweise der Anbieter ein Problem mit dem Internet oder der Stromversorgung hat, dann läuft schlicht nichts mehr. Das kann man lokal sehr viel besser und mit der notwendigen Redundanz organisieren.
Wir haben einen Blick in die Vergangenheit gewagt. Lassen Sie uns einen Blick in die Zukunft wagen. Gerne wird ERP auch mit dem Stichwort Industrie 4.0 in Verbindung gebracht. Darüber ist in den letzten Jahren viel geschrieben worden. Was hat sich in der Realität verändert?
Da ist noch viel Zukunftsmusik dabei, es gilt aber vorbereitet zu sein. Mit der ERP-Lösung europa3000 sind wir bei Industrie 4.0 kompatibel aufgestellt. Das zentrale Stichwort heisst hier PPS-System. Das ist ein System aus Programmen, welches dem Anwender ermöglicht, die Produktionsplanung und -steuerung in den Griff zu bekommen und die damit verbundenen Herausforderungen zu lösen. Hier gilt es immer wieder, individuelle Anpassungen vorzunehmen. In diesem Kontext ist europa3000 aber gut vorbereitet.
Sie braucht kaum Schnittstellen, es ist eine integrierte Lösung.
Nun steht die Verschmelzung der MCT-INFORMATIK AG mit der Avacone AG an. Es geht hier aus meiner Sicht um die Verschmelzung von lokaler Kompetenz und internationaler Erfahrung. Wo liegen hier die Gründe und welche Ziele wollen Sie damit erreichen?
Es ist richtig. Wir haben mit der MCT-INFORMATIK AG die lokale und nationale Kompetenz an Bord. Wir betreuen zwar auch ein Unternehmen in Grossbritannien und in Deutschland. Das sind aber eher Ausnahmen. Im Flottenverband mit der Avacone AG sind wir da jetzt besser aufgestellt. Das passt auch. Schon im Namen von europa3000 ist die internationale Dimension angelegt. Das System von europa3000 ist hoch parametrierbar. Wir können mit wenig Aufwand weitere Module einbinden und auf die individuellen Kundenwünsche eingehen. Nehmen Sie nur die unterschiedliche Steuergesetzgebung in Frankreich, Deutschland oder der Schweiz. Diese sind bei uns abbildbar. Avacone ist jetzt auch selbst mit europa3000 ausgerichtet.
Kommen wir auf die Bedürfnisse von KMU-Verantwortlichen zu sprechen. Diese haben bei der Entscheidung für eine ERP-Lösung die Qual der Wahl. Es gibt einige grosse internationale Player, aber gerade auch in der Schweiz einige kleinere Anbieter. Wie positionieren Sie sich mit europa3000 in solch einem Marktumfeld? Wir können die Bedürfnisse von sehr unterschiedlichen Branchen erfüllen. Oftmals hat man es ja mit Angeboten zu tun, die sich auf eine Branche fokussieren. Wir sind breit aufgestellt. Zudem passen wir uns dem Kunden an, dieser muss sich nicht umgekehrt der Lösung anpassen. Das bringt uns Vorteile und wird vom Kunden geschätzt.
Der Kauf einer Software ist nicht der Kauf eines Anzugs von der Stange, sondern ein komplexer Prozess. Wie gehen Sie strategisch vor, wenn ein Kunde sich für Ihre Lösung entschieden hat? Gibt es da Meilensteine?
Am Anfang klären wir die Bedürfnisse des Kunden ab und stellen sie schematisch dar, damit Transparenz hergestellt wird. Wir fragen unsere Kunden sehr genau nach den Bedürfnissen, oft steht auch ein Pflichtenheft zur Verfügung. Das ist der erste Meilenstein. Anschliessend beginnt, wenn der Kunde zufrieden ist, die Umsetzungsphase. Es gilt dann, bestehende
Datensysteme zu übernehmen. Hier können Schnittstellen wichtig sein. Dazu braucht es einen offenen Ansatz. Den haben wir.
Bieten Sie universelle Möglichkeiten, um Informationen und Daten zwischen Programmen oder Plattformen zu synchronisieren?
Ja, hier sind XML-Schnittstellen wichtige Bausteine, die man als Anbieter an Bord haben muss. Dann kommt das Thema Schulung auf die Agenda. Die After-Sale-Dienstleistungen sind am Ende unserer Wertschöpfungskette ein ganz wichtiger Punkt. Wenn es beispielsweise Personalwechsel beim Kunden gibt, müssen auch noch Jahre später Menschen wieder geschult werden. Eine langfristige Kundenbindung nützt beiden Seiten.
Softwarekauf ist immer noch eine Vertrauenssache?
Das ist definitiv so. Wir haben uns das Thema «Alles aus einer Hand» auf die Fahne geschrieben. Wenn man für die Hard- und Software zuständig ist, gibt es klare Zuständigkeiten. Das ist am Anfang einer Beziehung meist noch nicht so wichtig. Im Laufe der Zeit gibt es Friktionspunkte, die man bei klaren Verhältnissen besser lösen kann.
Wer ist Ihr grösster Mitbewerber in der Schweiz?
Das ist nicht die grosse SAP, sondern die Schweizer Abacus. Mit europa3000 haben wir ein Angebot, welches qualitativ hochwertig, aber auch bezahlbar ist.
Herr Bakimci, wie kommt die Avacone AG als internationaler ITPlayer
mit dem Schwerpunkt Pharma mit einem lokal verankerten Anbieter wie der MCT-INFORMATIK AG zusammen?
Nihat Bakimici: Wir sind auch eine Schweizer Firma und stehen in keiner Konkurrenzsituation. Wir haben unsere Stärken im klassischen IT-Umfeld und haben uns auf Pharma-Kunden spezialisiert. Es geht hier nicht um eine Übernahme, sondern um eine Lösung im Rahmen einer Zuwachsstrategie und Ergänzung. Wir möchten mit der MCT-INFORMATIK AG wachsen.
Wo liegen Synergien?
Wir unterstützen den Betrieb der MCT-Kunden, wodurch die Kunden einen grösseren und breiteren Support durch beide Firmen haben. Und wir können Grösse, Ressourcen und – ganz wichtig – Know-how, beispielsweise im Umgang mit Datenbanken, Back-ups (Daten-Sicherungen), Servern oder der Infrastruktur, einbringen. SQL ist hier die zentrale Datenbanksprache. Egal, ob es um Server- oder Cloudlösungen geht: Wir haben durch die Kombination unserer Häuser jetzt noch mehr zu bieten. Wir sind eine gute Ergänzung für europa3000.