Laut der gängigsten Definition sollte Gesundheit den Zustand eines vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens verkörpern – nicht lediglich die Abwesenheit von Krankheit. Kaum etwas steht uns näher und beschäftigt uns mehr als sie, doch Gesundheit ist nicht nur eine persönliche Angelegenheit, sondern sie betrifft auch die gesamte Gesellschaft und ist Voraussetzung für soziale und wirtschaftliche Entwicklung.
Dr. iur., Advokat, LL.M. Lukas Engelberger führt seit August 2014 als Vorsteher das Gesundheitsdepartement des Kantons Basel-Stadt. Die Basler Gesundheitspolitik an verantwortlicher Stelle mitzugestalten, sieht er – zu Recht – als eine ehrenvolle Aufgabe. In seiner Funktion als Gesundheitsdirektor und Regierungsmitglied steht er im Dienst der Öffentlichkeit und trägt auf seinen Schultern die Last der Verantwortung, oftmals über das eigene Departement hinaus.
Die Herausforderungen des Gesundheitswesens gestalteten sich in der jüngsten Vergangenheit äusserst anspruchsvoll, sind es in der Gegenwart noch und so wird es wohl
auch zukünftig bleiben. Denn alles neigt zu einer steigenden Tendenz, angefangen bei den Erwartungen an die Medizin über die Krankenkassenprämien bis hin zur Anzahl an chronisch kranken und pflegebedürftigen Menschen. Für Lukas Engelberger stellt eine simple Verschiebung der Prämienlast auf die öffentliche Hand keine befriedigende Lösung dar – dies würde nichts an den Ursachen des Kostenwachstums ändern. Dringlich gefragt sind konkrete und praktikable Massnahmen, die grösstenteils bereits umgesetzt werden: Modernisierung der Tarife, Verlagerung in den ambulanten Bereich, konsequentere Versorgungsplanung und stärkere Steuerung durch alternative Versicherungsmodelle.
GESCHÄFTSFÜHRER*IN BASEL: Herr Engelberger, Sie leiten seit annähernd zehn Jahren als Gesundheitsdirektor und Regierungsmitglied die Geschicke des Gesundheitsdepartements im Kanton Basel-Stadt. Die Gestaltung der Basler Gesundheitspolitik liegt sozusagen in Ihren verantwortungsvollen Händen. Können Sie mir bitte Ihre diesbezüglich selbst auferlegten Ziele näherbringen?
Lukas Engelberger: Ich setze mich dafür ein, dass unser Gesundheitswesen auch in Zukunft hohe Qualität und bedarfsgerechten Zugang für alle garantieren kann – und zwar so, dass unsere Gesellschaft das auch weiterhin bezahlen kann. Eine enge Zusammenarbeit mit allen Partnern im Gesundheitswesen und dem Kanton Basel-Landschaft ist für mich dabei zentral.
Nach dem irischen Lyriker Oscar Wilde ist «Gesundheit die erste Pflicht im Leben». Welchen Stellenwert hat Gesundheit im Allgemeinen für Sie?
Ich finde das Zitat sehr passend. Es bringt zum Ausdruck, dass Gesundheit bei uns selbst anfängt. Dem versuche ich auch in meinem Alltag einigermassen gerecht zu werden,
insbesondere durch Bewegung, eine ausgewogene Ernährung und Erholungsphasen.
Welche Ideologie und welche Werte liegen Ihnen beruflich wie auch privat am Herzen?
Mich prägen bis heute die traditionellen christlichen Werte und die klassischen Ideale, mit denen ich aufgewachsen bin. Beruflich ist es mir sehr wichtig, verlässlich zu sein und den
Menschen vertrauensvoll zu begegnen.
Gab es in Ihren jungen Jahren ein prägendes Ereignis, welches Ihr politisches Interesse aufkeimen liess?
Wohl die Umwälzungen in den Wendejahren 1989 und 1990, die wir in der Schule sehr aufmerksam verfolgt und diskutiert haben. Da war ich im Gymnasium und begann auch,
mich in der Schulpolitik zu engagieren.
Sie sind promovierter Anwalt (Dr. jur., Advokat, LL.M.) – es fällt mir immer wieder auf, dass sehr viele Politiker*innen ein Studium der Rechtswissenschaften gemeinsam haben. Sehen Sie da einen relevanten Zusammenhang?
Das würde ich nicht übermässig gewichten, zumal viele junge Menschen aus sehr unterschiedlichen Interessen heraus Rechtswissenschaften studieren. Mich hat immer besonders interessiert, wie Regeln und Gesetze zustande kommen.
In den Medien schlägt Ihre Doppelbelastung im Gesundheitsdepartement und Präsidialdepartement hohe Wellen. Dass Sie ein beruflich vielbeschäftigter Mensch
sind, dürfte mittlerweile wohl allen klar sein. Mich würde in diesem Zusammenhang interessieren, wie, wo und womit Sie Ihre «Batterien» wieder aufladen?
Ich achte darauf, an den Wochenenden die Tage freizuhalten. Dann kann ich relativ gut Distanz gewinnen im Familienkreis, beim Jogging oder am Klavier.
Sie sind ebenfalls Präsident der Kantonalen Gesundheitsdirektorenkonferenz (GDK). Können Sie mir einen kurzen Abriss über Ihre Funktion respektive Ihre Aufgabenstellung in diesem Amt geben?
Es geht hier darum, die Erfahrungen und Positionen der Kantone zu den verschiedenen Gesundheitsthemen möglichst gut zu bündeln und effektiv zu vertreten. Dabei fasziniert mich die Vielfalt unseres kleinen Landes immer wieder aufs Neue.
Stichworte Pandemie, Stromengpässe, drohende Inflation – welches war während Ihrer Amtszeit als Basler Gesundheitsdirektor Ihre grösste Herausforderung?
Eindeutig die Pandemie. Da mussten wir innert weniger Tage völlig in den Krisenmodus umschalten und das Tempo massiv beschleunigen. Zudem wurde unser Alltag stark
beeinträchtigt, alles in allem war das sehr viel Veränderung und sehr viel Unsicherheit in kurzer Zeit. Ich bin froh, dass das überstanden ist.
Die Krankenkassenprämien steigen – bei der Spitalplanung ist in diesem Zusammenhang sogar die Rede von einer Entmachtung der Kantone, was zu heftigen öffentlichen Diskussionen geführt hat. Welcher Lösungsansatz würde in die richtige Richtung gehen?
Ein Blick auf die grossen Kostenblöcke im Gesundheitswesen zeigt, dass die Kosten sich dort am moderatesten entwickeln, wo die Kantone Planungskompetenzen haben, nämlich
bei den stationären Spitalleistungen. Deshalb ist es wichtig, dass wir auch im ambulanten Sektor neue Steuerungsinstrumente bekommen. Diese sollten wir verstärkt kantonsübergreifend wahrnehmen, wie wir das in der Region Basel traditionell tun.
Der Fachkräftemangel schwebt wie ein Damoklesschwert über dem Gesundheitswesen. Muss die Spitalführung dringend überdacht werden oder braucht es neue, mutige Arbeitsmodelle?
Ich habe Vertrauen in unsere Spitäler. Sie sind gute Arbeitgeber. Der Fachkräftemangel wird vermutlich zu einer weiteren Konsolidierung der Spitallandschaft führen. Zudem wird der Druck zur Notwendigkeit, die Behandlungs- und Pflegeprozesse stärker zu automatisieren und technisch zu unterstützen. Das braucht ein Umdenken bei uns Patienten zu Gunsten der Digitalisierung und der Technik.
Milliardeninvestitionen in das Universitätsspital Basel (USB) und Kantonsspital Baselland (KSBL) – seit einiger Zeit sorgen laute Forderung nach einer Neuauflage der Fusion für Kontroversen. Welche realitätsnahen Zukunftsperspektiven sehen Sie für die Spitäler der beiden Basel?
Eine Fusion wurde vor nicht langer Zeit verworfen. Bevor wir erneut derart aufwendige Arbeiten in Auftrag geben, müssen die Rollen und Aufgaben der Spitäler auf politischer
Ebene zwischen den beiden Kantonen geklärt werden. Dafür sind in beiden Kantonsparlamenten erste Prüfaufträge erteilt worden, die wir nun zwischen den Departementen diskutieren und bearbeiten.
Die universitäre Altersmedizin Felix Platter steckte letztes Jahr in der Klemme, weil sie die Abschreibungen auf den neuen Spitalkomplex nicht mehr tragen konnte. Wie ist es diesbezüglich um das Spital zum heutigen Zeitpunkt gestellt?
Das Felix-Platter-Spital hat sich von Grund auf neu aufgebaut, das war eine enorme Parforce-Leistung. Seit dem Bezug des neuen Gebäudes 2019 befindet sich das Spital
in einem Turnaround, der gute Fortschritte macht, aber noch Zeit braucht. Das lohnt sich, denn immerhin reden wir über das Spital für unsere betagten Patientinnen und Patienten.
Ein wunder Punkt, der die Bevölkerung verunsichert, ist die offene Drogenszene im Kleinbasel, speziell rund um den Matthäuskirchplatz. Die Suchtpolitik des Kantons Basel-Stadt basiert auf dem Vier-Säulen-Modell. Zeigt dieses im neuen Jahr eine positive Entwicklung des Problems?
Das Vier-Säulen-Modell hat den Vorteil, dass wir es jeweils situationsgerecht auf Veränderungen anpassen können. So werden wir jetzt versuchen, den veränderten Konsumformen zu begegnen und in den Kontakt- und Anlaufstellen mehr Inhalationsräume und längere Öffnungszeiten zu ermöglichen. Natürlich müssen weitere Massnahmen im sozialen Bereich sowie seitens der Polizei dazukommen, um Wirkung zu erzielen. Ob das gelingt, wird sich in der wärmeren Jahreszeit dann zeigen.
Ihr Amt als stellvertretender Vorsteher des Präsidialdepartements ging per Ende April dieses Jahres zu Ende. Welche hoffentlich positiven Erinnerungen nehmen Sie aus dieser sicherlich sehr intensiven Zeit mit?
Ich bin dankbar für diese Zeit, die ich als sehr bereichernd empfunden habe. Besonders beeindruckt hat mich die Vielfalt der kulturellen Angebote, die unserer kleinen Stadt eine
gewisse Grösse verleihen.