Die im Christoph Merian Verlag erschienene Publikation „Grenzfälle“ widmet sich, 75 Jahre nach dem ende des zweiten Weltkrieges, der vielschichtigen Rolle der Region Basel zwischen 1933 und 1945.
Grenzfälle oszillieren zwischen Möglichkeiten oder geniessen einen Sonderstatus. In der Tat kam Basel als Grenzregion während der nationalsozialistischen Jahre in Deutschland
eine Sonderrolle zu. Wie sehr Nationalsozialismus und Krieg das Leben in der Grenzregion Basel veränderten, arbeiten die Autorinnen und Autoren in ihren reich bebilderten Beiträgen fundiert heraus. Seit geraumer Zeit werden die damaligen Beziehungen der Basler Bevölkerung, der Behörden und der Wirtschaft zu den nationalsozialistischen
Nachbarn intensiv erforscht und kontrovers besprochen. Die historischen Fakten zur Schweizer Flüchtlingspolitik, zu antisemitischen Strömungen, zur Rolle der Wirtschaft oder zum sogenannten jüdischen «Opfergold» sind Themen, über die von den Schweizer Behörden jahrzehntelang lieber geschwiegen wurde.
Die Zeitzeugen werden rar, die Erinnerungs- und Forschungskultur verändert sich. Heute fordern Geschichtswissenschaft und Öffentlichkeit eine selbstkritische Auseinandersetzung. Sie fragen nach der bedrohlichen Lage der Schweiz angesichts des übermächtigen und aggressiven Nachbarn und wie sie dennoch auf unterschiedlichen Ebenen Mittel und
Wege der Hilfe fand.
Die Publikation versammelt kompakte Beiträge von 14 Autorinnen und Autoren zu diesen Themen. Sie vertiefen aber auch persönliche Schicksale und Alltagsbeobachtungen. Basel als Finanzzentrum, die Rolle der Chemie-Unternehmen oder die Museumspolitik sind wichtige Einzelaspekte, während ein letztes Kapitel anhand von Objekten und Fotos
über dreissig kurze «Geschichten» erzählt. Herausgeber von «Grenzfälle» sind Patrick Moser, Kurator, und Alexandra Heini, wissenschaftliche Assistentin für Zeitgeschichte am Historischen Museum Basel, die auch gemeinsam die Sonderausstellung über Basel in der Zeit des Nationalsozialismus im Historischen Museum in der Barfüsserkirche, welche
noch bis 28. März 2021 dauert, realisierten.
Der Blick der Ausstellung richtet sich auf die Flüchtlinge und die Flüchtlingspolitik, das politische Klima, die wirtschaftliche Vernetzung, die Herausforderungen für die jüdischen Einwohnerinnen und Einwohner der Stadt, die sogenannte Geistige Landesverteidigung
und den Alltag während des Kriegs. Die Ausstellung greift persönliche Schicksale auf, rückt geografische, menschliche, rechtliche und moralische Grenzfälle ins Zentrum
und regt zum Nachdenken über den Umgang mit der Vergangenheit an.