Vor Kurzem gab es in Zürich eine spannende kontroverse Podiumsdiskussion über Pro und Contra der integrativen Medizin, der um komplementärmedizinische Verfahren erweiterten Schulmedizin. Es gab kaum grundsätzliche Argumente gegen eine Erweiterung der Schulmedizin – vielmehr wurde die Krise der reinen Lehre der sogenannten evidence-based-medecin sogar allseitig anerkannt. Die reduktionistische Schulmedizin – vertreten lediglich im universitären und Pharma-Umfeld, in der Grundversorgung sind die praktischen und auch die Forschungsansätze bereits wesentlich pragmatischer – hat eine aufwändige Methodik mit scharfen Fragestellungen und sehr grossen Patientenkollektiven. Diesbezüglich war und ist sie unbestrittenermassen erfolgreich. Nun kommt sie jedoch in einen Sättigungsbereich. Es sind immer grössere Aufwendungen notwendig, um noch einen relevanten Wissensfortschritt zu erzielen. Selbst von renommierten Fachjournals werden neue Ansätze gefordert und angedacht. Die Komplementärmedizin hat einen konkreteren und patientenorientierteren Ansatz, welcher sich gerade in der neueren Forschung als sehr plausibel und sogar evidence-based herausstellt. Zu Recht kann von einem relevanten Innovationsfaktor gesprochen werden – eigentlich ein Gratis-Thinktank seit bald 100 Jahren, welcher vom Staat finanziert und gefördert werden sollte.
Die Liste mit Innovationsbeispielen aus verschiedensten medizinischen Bereichen könnte beliebig verlängert werden: Pharmakologisch wird Johanniskraut seit Langem als Licht- und Wärmepflanze eingesetzt, ihr Einsatz als Antidepressivum ist heutzutage medizinischer Mainstream. Die Allergiehypothese eines unterforderten Immunsystems war bis vor Kurzem noch verdächtig – heute ist es eine akzeptierte Lehre und mit Forschungsnachweisen in besten Journals gut unterlegt: Je länger sich Kinder im Kuhstall aufhalten, je mehr Schmutz auf den Matratzen von Babies gemessen wird, desto weniger Allergien entwickeln sie. Aktuell gibt es eine Flut psychologischer Studien, wie Meditation die Gesundheit positiv beeinflusst und sogar die Gehirnplastizität fördert bis zu nachweislicher Veränderung innerhalb dreier Monate – dabei existiert die Mind-Body-Medizin schon seit Jahrhunderten. Die Ernährungsmedizin spricht seit Jahrzehnten von Probiotika – jetzt spricht die aktuelle Forschung bei der Darmflora von einem neu entdeckten Organ, dem Mikrobiom, und beschreibt als Herausforderung die Komplexität der Interaktionen der verschiedenen Bakterienstämme.
Ich bin überzeugt, dass bald weitere Forschungsresultate zu altbewährten Aspekten der Komplementärmedizin kommen, z.B. im Umgang mit Fieber. Fieber ist keine Krankheit, sondern ein Symptom und als solches sogar gesund. Wetten? In einigen Jahren können wir von neuen Arbeiten zu diesem Thema lesen.
Die integrative Medizin ist in der Phase, ihre Nische zu verlassen. Erinnern Sie sich an die Biobauern in den 80er-Jahren, die noch in den 70ern als komische Käuze angeschaut wurden!
Die Klinik Arlesheim ist die älteste und grösste komplementärmedizinische Klinik der Schweiz – sie ist der Ursprung der Anthroposophischen Medizin, welche aktuell in mehr als 60 Ländern der Welt praktiziert wird. Seit dem 1. August 2017 ist sie in der Schweiz definitiv in den Katalog der Grundversorgung aufgenommen.