Die Nachhaltigkeit von klassischer Printwerbung
«persönlich» ist das Schweizer Wirtschaftsmagazin für Kommunikation und Werbung. Seit bald 60 Jahren berichtet das Magazin über die Schweizer Medien- und Werbebranche. Vor 20 Jahren hat Matthias Ackeret die Position des Chefredaktors bei «persönlich» übernommen und kennt die bunte Landschaft der helvetischen Werber und Schreiber besser als kaum ein anderer. Seit 2014 ist Ackeret auch Verlagseigentümer. Ein Interview über Qualitätsjournalismus, vermeintliche Unabhängigkeit und warum es einfach ist, über Joe Biden zu schreiben.
Geschäftsführer*in Zürich: Herr Ackeret, «persönlich» ist das wichtigste Fachmedium für die Medien-, Werbe- und Marketingbranche in der Schweiz. Was waren die wichtigsten Meilensteine?
Matthias Ackeret: Die Gründung von «persönlich» vor 58 Jahren durch den Zürcher Headhunter Walter P. Wyss war sicher der wichtigste Meilenstein. Der Name entsprang der Idee, dass man den Inserenten und Abonnenten persönlich einen gedruckten Brief mit Infos, aber auch Klatsch und Tratsch aus der Werbebranche überreichte – eine Art haptischer Newsletter. Und weil es nun mal persönlich war, konnte der damalige Herausgeber Abonnenten auch ablehnen. Das kann man sich heute kaum noch vorstellen, doch zu dieser Zeit war das noch möglich. Über die Jahre hinweg hat sich die einstige Postille immer mehr zu einem Magazin entwickelt und stand besonders in den Siebziger- und Achtzigerjahren in direkter Konkurrenz zur sehr starken Werbewoche. 1996 kam Oliver Prange zu «persönlich», ein wichtiger Meilenstein für das Magazin. Zusammen mit dem langjährigen Eigentümer, dem Rapperswiler Verleger Bruno Hug, machten sie das Magazin internationaler und auch inhaltlich und grafisch ansprechender. Ein sehr wichtiger Moment in der Geschichte von «persönlich» ist die Lancierung der Online-Plattform «persoenlich.com» im Jahr 2000. Die Website war einer der ersten Internetdienstleister dieser Art in der Branche. Für das Magazin war dies ein Quantensprung. Wir konnten plötzlich jeden Tag über Neuigkeiten aus der Branche berichten. Als die Herausgeber feststellten, dass die Branche sich wandelt, entschied man sich, zwei Magazine herauszubringen. Die blaue Ausgabe von «persönlich» richtete sich an die Auftraggeber, die rote Ausgabe zielte auf die Werbe- und Medienbranche ab. Ich übernahm 2002 die Position des Chefredaktors von «persönlich»-rot. 2008 wurden die beiden Magazine zusammengelegt, kurz danach wurde der Verlag an die Publigroupe verkauft. Oliver Prange macht seither die Kulturzeitschrift «Du». 2014 konnte ich den Verlag – mithilfe von Manfred Klemann, einem meiner ältesten Freunde – erwerben, kurz danach zogen wir von Rapperswil nach Zürich, wo wir heute noch sind. Das machte auch Sinn, weil sich in Zürich alle wichtigen Verlagshäuser, aber auch Werbe- und Mediaagenturen befinden.
Sprechen wir über journalistische Grundsätze. Gibt es für Sie welche, die unabdingbar sind?
Für mich hat die Fairness oberste Priorität im Journalismus. «persönlich» und «persoenlich.com» sind Nischenmedien und wir bewegen uns in einem klaren Umfeld, in welchem man den gleichen Akteuren immer wieder begegnet. Es ist einfach, über Joe Biden, Donald Trump oder auch den Bundesrat zu schreiben, da sie mit allergrösster Wahrscheinlichkeit nicht auf einen Artikel von uns reagieren. Aber wir bewegen uns in einem überschaubaren Markt, in dem sich alle kennen, und wir können und wollen es uns langfristig nicht leisten, mit einem Akteur in Dauerfehde zu sein. Deshalb hat für uns nicht nur die Fairness, sondern auch die Sorgfaltspflicht einen sehr hohen Stellenwert. Mit «persoenlich.com» erreichen wir jeden Morgen einen Grossteil unserer Branche, die rund 30’000 Menschen umfasst. Wichtig ist natürlich auch die Unabhängigkeit, die zwar dadurch, dass der Verlag Manfred Klemann und mir als Hauptaktionär gehört, in gewisser Hinsicht gewährleistet ist, jedoch gibt es kein Leben in einem völlig luftleeren und auch unabhängigen Raum. Wichtig ist, dass man ein spannendes Medium macht, das die Leute interessiert. Oft glauben die Menschen, ein Fachmedium müsse langweilig und trocken sein, ich bin hingegen anderer Ansicht: Ein Fachmedium kann durchaus sexy sein. Diesen Anspruch versuchen wir jeden Tag mit guten Berichten und Interviews zu erfüllen. Für mich ist einfach wichtig, dass wir als Medium hinter unserer Branche stehen, denn schlussendlich sind wir auch ein bisschen der Nachrichtendienst der Schweizer Werbe- und Medienbranche. Wer für ein absolutes Werbeverbot plädiert, wäre wohl langfristig bei «persönlich» am falschen Ort. Als Vegetarier habe ich mich auch nie beim Schweizer Metzgerverband beworben.
Sind das auch die Bedingungen für guten Journalismus? Oder was macht guten Journalismus aus?
Guter Journalismus ist fair und spannend. Doch was nützt der beste, der moralisch edelste Journalismus, wenn ihn niemand konsumiert? Man redet immer von Qualitätsjournalismus, aber das sollte man gar nicht betonen müssen, sondern ist für mich eine Grundvoraussetzung für Journalismus. Guter Journalismus sollte immer Qualitätsjournalismus sein, vor allem sollte er aber seine Leser und seine Zielgruppe erreichen, was heutzutage aufgrund der Vielzahl an unterschiedlichen Medienkanälen immer schwieriger wird. Der Konsument von heute hat immer weniger Zeit, um sich mit der Fülle des Angebots auseinanderzusetzen. Deshalb ist es für ein Medium wichtig, dass man seine Zielgruppe klar im Fokus hat und weiss, wie man diese erreicht. Die Bindung von Leserinnen und Lesern an das eigene Produkt ist extrem wichtig. Doch genau diese Bindung aufrecht zu erhalten, wird in Zukunft eine Herausforderung sein.
Schaut man sich in der Medienlandschaft um, hat man das Gefühl, dass klassische Image-Werbung immer mehr an Bedeutung verliert. Ist das ein Fehler?
Was heisst Fehler? Es ist nun mal eine Tatsache. Die Gründe dafür sind vielfältig. Werbung ist teuer und viele Unternehmen wollen sich gute Image-Werbung einfach nicht mehr leisten. Als Vertreter der Branche sehe ich, dass viele Leute – leider – nicht mehr an den Sinn und die Wirkung von Werbung glauben. Wer aber ein Produkt hypen will, kann auf Werbung nur schwer verzichten, die Ausnahmen bestätigen die Regel. Normalerweise gilt: Nur wer laut in den Wald hineinschreit, wird auch gehört. Ein aktuelles Beispiel ist Swatch, die nach Jahren mit ihrer «MoonSwatch» ein riesiges Comeback feiert. Und wie bewerben sie diese? Mit klassischen Printanzeigen in Zeitungen und Magazinen. Das zeigt klar, dass Swatch nach wir vor an die Kraft von Printanzeigen glaubt. Selbst Google, als eines der digitalsten Produkte überhaupt, setzt bei seiner KMU-Werbung auf klassische Printprodukte, die den einzelnen Firmen per Post zugestellt werden. Konservativer geht es kaum.
Dann ist klassische Printwerbung gar nicht tot?
Nein, absolut nicht. Auch Printwerbung wird es immer geben. Natürlich ist die digitale Werbung – vor allem nach der Pandemie – unheimlich stark, trotzdem wird gute Printwerbung nicht aussterben, Luxusprodukte wie Uhren bewirbt man am besten in den klassischen Medien, da diese für eine gewisse Wertigkeit stehen. Es ist klar: Unternehmen brauchen Image-Werbung. Werbung braucht es immer – egal in welcher Form. Ein Unternehmen, das ein neues Produkt bekannt machen möchte, braucht Werbung. Zudem glaube ich wirklich an die Kraft der Werbung und vor allem auch an die Kraft von Printwerbung, weil sie einfach lauter und nachhaltiger ist als digitale Werbung.
Apropos digitale Medien:Werden diese vielleicht auch einfach überschätzt?
Das ist gut möglich, auch weil digitale Werbung relativ günstig ist. Fakt ist, dass mittlerweile rund 2.5 Milliarden Franken jährlich aus dem Schweizer Markt zu Facebook, Google und Co. fliessen, ohne dass etwas in den Markt zurückkommt. Das sind gigantische Summen. Trotzdem: Die Auftraggeber entscheiden schlussendlich ganz pragmatisch und wählen erfahrungsgemäss jenes Medium oder jene Werbe-Art, mit welcher sie glauben, ihre Zielgruppe am besten erreichen zu können.
Aber hat eine Printanzeige nicht mehr Strahlkraft als ein Onlinebanner?
Das glaube ich definitiv. Ein gut platziertes Plakat im Zürcher Hauptbahnhof oder am Flughafen erreicht zum Beispiel mehr Leute als irgendein Banner, der irgendwo mal aufgeschaltet wird. Zumindest generiert es mehr Aufmerksamkeit. Man könnte ja auch mal die Leute fragen, wie viele Werbeplakate oder Printanzeigen ihnen in den Sinn kommen – und wie viele Online-Banner. Ich bin mir sicher, dass die Leute sich eher an gute Plakate erinnern. Ich glaube, die Kraft von Printanzeigen wird in den kommenden Jahren wieder zunehmen, das sieht man auch daran, dass grosse Unternehmen wie die Swatch-Gruppe verstärkt auf gedruckte Anzeigen setzen, um ihre Produkte zu bewerben. Als Verleger lebt man immer nach dem Prinzip Hoffnung.
Wie baut man heutzutage Reputation auf? Geht das noch mit Werbung?
Ja, natürlich. Ich erinnere mich zurück, als Shell nach der Ölkatastrophe im Golf von Mexiko mit einer riesigen Werbekampagne den Versuch unternahm, Shell als grünes Unternehmen darzustellen. Das ist gelungen, kaum jemand denkt bei Shell heute noch an den Ölteppich, den es hinterlassen hat.
Warum sind Magazine, die in der Schweiz und für die Schweiz publiziert werden, wertvoller als ausländische Medien, die die Schweiz als Vertriebsplattform nutzen?
Ich denke, das ist so. Die Schweizer schätzen nun mal ihre Magazine und Zeitungen und das ist ja auch gut so.
Was ist aus Ihrer Sicht gute und was ist schlechte PR?
Gute PR ist natürlich PR, die man nicht als PR erkennt. Im Gegensatz zu Werbung ist gute PR still, diskret und zielführend. Klassische Werbung ist laut und direkt und auch immer ein wenig Eigenwerbung für die verantwortliche Agentur. Werbung ist oft auch Show, was nicht schlecht sein muss, aber im Vergleich zur PR knallt Werbung rein und fällt auf. PR hat oft ein etwas negatives Image, was eigentlich falsch ist, man muss nur wissen, was gute PR ausmacht.
Schaut man sich die heutigen Magazine an, sieht man oft mehr PR-Artikel als Werbeanzeigen. Wie beurteilen Sie diese Entwicklung?
Mir persönlich ist die Werbebranche etwas näher, weil Werbung einfach transparenter ist. Bei einer klassischen Werbeanzeige in einem Printmedium oder auch einem Banner weiss die Leserschaft ganz genau, dass dies ein Inserat ist, das bezahlt wurde – mit dem Ziel, etwas zu verkaufen. Damit hat die Leserschaft absolute Transparenz. Bei einem PR-Beitrag ist das für manche Leser nicht sofort ersichtlich, insbesondere dann, wenn der PR-Beitrag nicht als solcher klar deklariert ist. Ich möchte hier aber nicht branchenmoralisch rüberkommen. Wir leben nun mal in einer Zeit, in welcher die Tech-Konzerne aus den USA in der Schweiz Milliarden einnehmen. Gleichzeitig ist es ein Fakt, dass digitale Werbung und PR immer mehr zunehmen. Trotzdem glaube ich, dass die traditionellen Medien wie Print, Radio, Fernsehen und Plakat überleben werden. Die Frage ist nur, in welcher Form. Gerade das gedruckte Buch, das seit Jahrzehnten totgesagt wird, verfügt immer noch über eine grosse Beliebtheit. Die Hauptaufgabe eines Verlegers ist es aber, inmitten dieses gewaltigen publizistischen Angebots eine Nische für sein Produkt zu finden.
Welche Medien nutzen Sie am liebsten?
Ich persönlich nutze viele Medien. Ich habe den Spiegel, die Weltwoche, die Schaffhauser Nachrichten oder Schaffhauser AZ abonniert, versuche jeden Tag die NZZ und den Tages-Anzeiger zu lesen, gleichzeitig konsumiere ich die eingängigen Newsportale und schaue jeden Tag unzählige Male auf «persoenlich.com». Mein Lieblingssender ist Radio 1, bei dem ich zusammen mit Marc Jäggi eine eigene Sendung habe. Die Medien, die ich konsumiere, sind vor allem aus dem deutschsprachigen Raum.
Lieber Print- oder Onlineangebote?
Das kommt auf das News-Bedürfnis darauf an. Für die schnelle Information nutze ich natürlich die Onlineangebote, aber wenn ich mehr Informationen möchte, dann lese ich lieber die Printausgaben.