Als Gastköchin hat Tanja Grandits schon auf der ganzen Welt gekocht. Dieses Jahr war sie zum dritten Mal am Gourmet Festival in St. Moritz engagiert. Im Country Club des Kulm Hotels hat sie ein farbenprächtiges Sechs-Gänge-Menü zubereitet, darunter eine Enten-Essenz mit Pastinaken Dim Sum und Sesam, Lachsforelle mit Rüebli-Dashi und Mandarine sowie zarte Kalbsmedaillons an einem Perigord-Trüffel-Jus.
Mit GESCHÄFTSFÜHRER*IN BASEL sprach Tanja Grandits über die Vorbereitung auf ein solches Gastspiel, ihre Rolle als Unternehmerin und weshalb sie ausgerechnet auf den
Malediven in der Kantinenküche gemerkt hat, wie sehr sie noch fürs Kochen brennt.
GESCHÄFTSFÜHRER*IN BASEL: Tanja Grandits, Sie sind mit drei Köchen ins Engadin gereist und kochen in einer fremden Küche für anspruchsvolle Gäste. Wie bereiten Sie sich auf ein solches Auswärtsspiel vor?
Tanja Grandits: Natürlich telefoniert man vorher mit dem Küchenchef und fragt, wie die Küche ausgestattet ist, welche Geräte vorhanden sind und was es zu berücksichtigen gilt. Dann stellen wir ein Menü zusammen, das wir mit der gegebenen Infrastruktur gut zubereiten können. Wir haben an schon so vielen ungewöhnlichen Orten auf der Welt gekocht, im Hinterzimmer eines Juweliers oder auf dem Berg bei gefühlten – 30 Grad. Da wird man gelassener und macht das Beste aus dem, was man vorfindet. Es ist immer ein bisschen wie bei einer Wundertüte. Erst vor Ort lernen wir das Team kennen, das uns bei der Arbeit unterstützt, den Service, die Köche et cetera. Da habe ich schon viele unterschiedliche Erfahrungen gemacht und man lernt, zu improvisieren. Hier in St. Moritz wurden wir extrem hilfsbereit, offen und interessiert empfangen. Da macht es Freude, zusammenzuspannen und gemeinsam für die Gäste zu kochen.
Dennoch gibt es bestimmt viele Herausforderungen, wenn man die Komfortzone – in Ihrem Fall die Stucki-Küche – verlässt.
Ja, natürlich. In den letzten 14 Jahren ist da einiges zusammengekommen. Einmal habe ich in Tel Aviv im Rahmen eines Festivals während einer Woche ein Restaurant übernommen – das war ganz schwierig und eine riesige Herausforderung. Oder einmal bin ich alleine ohne Team auf die Malediven gereist, in ein neu eröffnetes Luxus-Resort. Meine Aufgabe war, exklusiv für zehn Gäste zu kochen. Eigentlich keine Hexerei. Doch vor Ort gab es einige Überraschungen, die vorbestellten Waren waren nicht da, also habe ich in der Kantinenküche geschaut, was es noch im Kühlschrank hat. Als ich den Köchen meine Lage erklärte, durfte ich mich bedienen. Anschliessend musste ich mit dem, was da war, zehn Gänge austüfteln. Normalerweise kann ich mich mit meinen Sous-Chefs besprechen, aber da war ich ganz alleine auf mich gestellt. Die Hilfsköche des Resorts, die mich unterstützen sollten, erschienen mit drei Stunden Verspätung zur Arbeit. Ich habe improvisiert, intuitiv gehandelt, experimentiert, bis es stimmig war. Am Ende kam alles gut an und ich habe gemerkt, wie sehr ich noch immer fürs Kochen brenne.
Inwiefern sind Sie mit Ihrem Team in Basel im Austausch, das während Ihrer Abwesenheit die Stellung im Restaurant Stucki hält?
Ich gebe ihnen mein vollstes Vertrauen und erwarte auch, dass sie eigene Entscheide treffen. Natürlich ist man im Kontakt, wir haben einen Gruppenchat und besprechen das Wichtigste – aber sie rufen mich nicht wegen jeder Kleinigkeit an. So lassen sie mir auch den Raum, mich auf den Ort und die Menschen hier einzulassen. Wenn ich weg von zu Hause bin, merke ich immer wieder, wie toll und unterstützend mein Team ist und dass ich mich auf meine Leute verlassen kann.
Ihr Team umfasst mittlerweile 45 Mitarbeitende. Sie sind mittlerweile quasi Geschäftsführerin eines mittelgrossen KMU.
Das ist so (lacht). Ich sehe es als meine Hauptaufgabe, mein Team zu führen und die Mitarbeiter*innen zu motivieren. Das bereitet mir viel Freude. Daneben kreiere ich Rezepte, arbeite an Büchern, schreibe Kolumnen, pflege Partnerschaften und erfülle Mandate. Aber zum Kochen komme ich natürlich nur noch ganz selten – und wenn, dann koche ich meistens fürs Team.
Was bereitet Ihnen am Unternehmertum am meisten Freude?
Ich bin gut darin, Entscheide zu treffen. Und danach gilt es, hinter den Entscheidungen zu stehen und sie umzusetzen. Gleichzeitig möchte ich offen und flexibel bleiben, mich nicht blockieren, indem ich auf einen bestimmten Standpunkt beharre. Es ist wichtig, immer wieder in eine Selbstreflektion zu gehen, auch zu hinterfragen, ob es richtig ist, was ich
gerade denke. Als Führungsperson kann ich mich gut in andere hineindenken und Menschen in ihren Stärken und Talenten fördern. Mit der Teamleader-Rolle kann ich mich gut identifizieren, sie bereitet mir Freude.
Was bereitet Ihnen schlaflose Nächte?
Schlaflose Nächte kenne ich glücklicherweise nicht – Schlaf ist mein Lebenselixier. Dafür bin ich sehr dankbar – ich lege mich hin und falle innert Sekunden in einen tiefen Schlaf. Seit der Kindheit ist das so. Natürlich komme ich aber auch relativ spät ins Bett und bin dann so müde, dass ich mich aufs Schlafen freue. Ich habe mir mein Schlafzimmer über die Jahre so eingerichtet, dass ich mich in diesem Raum extrem wohlfühle und mich immer auf mein schönes Bett freue. Generell spüre ich, dass ich an einem guten Punkt in meinem Leben angekommen, dass einfach ganz vieles stimmig ist.
Was bringt Sie in Rage?
Ausrasten ist nicht meine Art. Wenn mal etwas wirklich ganz Ärgerliches passiert, ziehe ich mich zurück und rufe eine enge Freundin an. Alleine, wenn ich das ausspreche, was mich belastet, wird es leichter. Dann denke ich über den nächsten Schritt nach, denn es gibt für alles eine Lösung.
Wie reagieren Sie, wenn Sie in einem Restaurant nicht nur sprichwörtlich ein Haar in der Suppe finden?
Das sage ich dann schon. Ich kann dann nicht weiteressen und finde es nur fair, den Grund dafür zu nennen. Es kann immer irgendetwas passieren, wir kochen ja nicht in einem sterilen Labor mit Häubchen, umso wichtiger ist es dann, dem Restaurant ein ehrliches Feedback zu geben. Wenn ein Gericht hingegen schlecht gewürzt ist, halte ich mich mit Kritik zurück.
Welche Tugend hat Ihnen geholfen, dass Sie heute da stehen, wo Sie jetzt sind?
Ich versuche, mit Freude meinen Alltag zu leben. Ich mag Menschen, meine Arbeitsumgebung und das Kochen – dass ich das alles miteinander verbinden kann, erfüllt mich mit Dankbarkeit. Dankbarkeit wird immer wichtiger für mich, je älter ich werde. Dankbar für das zu sein, was ich habe. Auch die Pandemie hat doch gezeigt, wie gut es uns hier in der Schweiz geht. Das nicht aus den Augen zu verlieren und den Blick auf all das Gute zu richten, spielt eine zentrale Rolle in meinem Leben.
Über Tanja Grandits
Mit ihrer Aromen-, Kräuter- und Farbenküche hat sich Tanja Grandits viele Auszeichnungen erkocht. In Süddeutschland gross geworden, hat sie erst ein Chemie-Studium absolviert und anschliessend eine Kochlehre in der Traube Tonbach in Baiersbronn (drei Michelin-Sterne) absolviert. Weitere Stationen führten Sie nach London und Südfrankreich. 2008 hat sie das traditionsreiche Restaurant Stucki auf dem Basler Bruderholz übernommen und ihre ganz eigene unverkennbare Handschrift entwickelt. Derzeit wird Tanja Grandits mit 19 Gault & Millau-Punkten und zwei Michelin-Sternen gelistet. Ausserdem wurde sie mehrfach als «Koch des Jahres» ausgezeichnet (2014 und 2020). Sie leitet im Restaurant Stucki Bruderholz ein 45-köpfiges Team, das unter anderem auch für den hauseigenen Shop mit eigener Feinkostlinie und Frischeprodukten arbeitet. Während der Pandemie haben Tanja Grandits und ihr Team das Catering-Angebot erweitert – und ein Take-away-Menü-Angebot entwickelt. Sie schreibt Kolumnen und ist erfolgreiche Autorin mehrerer Kochbücher. Tanja Grandits lebt gemeinsam mit ihrer Tochter in Basel.