Mindestlohngesetz trifft die Schwächsten am stärksten

von Dr. Gabriel Barell

Gabriel Barell ist Direktor des Gewerbeverbandes Basel-Stadt.

Ein bekanntes Sprichwort lautet: «Wer zahlt, befiehlt». Heute heisst es neu: «Wir fordern, ihr zahlt.» So ist es auch beim Thema Mindestlohn. Gewerkschaften und die politische Linke fordern rekordhohe Mindestlöhne auch für ungelernte Arbeitnehmende in wertschöpfungsschwachen Branchen. Und wer soll das bezahlen? Na, die Unternehmerinnen und Unternehmer natürlich. Wie genau, das kümmert die Forderer nicht.

Im Juni stimmen wir höchstwahrscheinlich über die Initiative «Kein Lohn unter 23.–» sowie über einen Gegenvorschlag des Grossen Rats ab. Dieser Gegenvorschlag ist aber alles andere als ein Kompromiss, sondern vielmehr die Umsetzung der Initiative in Raten. Korrekterweise müsste die Initiative übrigens «Kein Lohn unter 24.95» heissen, da man noch den Ferienzuschlag dazurechnen muss. Beim Gegenvorschlag wären es in der Realität 22.75 Franken.

Mindestens 25 oder 23 Franken pro Stunde für alle, egal ob gelernt oder ungelernt. Natürlich wäre das wünschenswert. Aber das Wünschenswerte nützt nichts, wenn es nicht realisierbar ist. Die wirtschaftlichen Realitäten sehen so aus, dass dies in vielen wertschöpfungsschwächeren Branchen nicht möglich ist. Deshalb ist es wichtig, dass wir beim heutigen sozialpartnerschaftlichen Modell bleiben. In harten Verhandlungen – die zugegebenermassen für beide Seiten oftmals mühsam sind – wird so das Mögliche  eingefordert. So erfüllt heute bereits die grosse Mehrheit der Unternehmen die Anforderungen der Mindestlohn-Initiative. Andere kommen hinzu, wenn sie es sich leisten
können. Anstatt im Rahmen der Sozialpartnerschaft das Mögliche einzufordern, soll jetzt per Gesetz das für einige Branchen Schädliche verordnet werden. Das kann nicht der richtige Weg sein.

Ein staatlich verordneter Mindestlohn würde das gesamte Lohngefüge der betroffenen Branchen nach oben verschieben. Denn man darf nicht vergessen: Mit dem Anheben der tiefsten Löhne auf über 4 000 Franken ist es ja nicht getan. Es müssten dann auch andere Lohnkategorien angehoben werden, um eine gerechte Lohnabstufung je nach Verantwortung und Ausbildung zu gewährleisten.

Dieser Kostenschub hätte massive Auswirkungen auf die Arbeitsplätze in den Betrieben. Denn die Mehrkosten können nicht auf die Kundschaft überwälzt werden – sonst wandert diese noch stärker ins grenznahe Ausland ab, wo Unternehmen mit deutlich geringeren
Lohn- und Fixkosten arbeiten können. Es bleibt nichts anderes übrig, als die Personalkosten zu senken. Das wäre mit Jobverlusten verbunden – gerade im Bereich der gering qualifizierten Arbeitnehmenden. Diese hätten dann keinen geringen, sondern einfach gar keinen Verdienst mehr. Ist das gerecht? Nein. Initiative und Gegenvorschlag schaden
genau jenen Personen, denen sie zu helfen vorgeben.

Weiter würde ein Ja zur Mindestlohn-Initiative auch der Berufsbildung schaden. Erklären Sie doch einem 15-Jährigen, warum er eine Lehre machen soll, wenn er auch ohne Ausbildung auf das praktisch gleiche Lohnniveau kommt. Auch dies wäre ein schlechtes Zeichen, gerade in der jetzigen Situation, in der wir darum kämpfen müssen, dass Jugendliche vermehrt den Berufsbildungsweg wählen.

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