Lange Zeit waren sehr viele Unternehmen ausschliesslich profitgetrieben – unabhängig davon, wie die Profitziele erreicht wurden. Heute hat sich dies geändert: Um erfolgreich zu sein, fokussieren sich Organisationen immer mehr auf Aspekte abseits von Gewinnmaximierung und Profitabilität. Viele Unternehmen integrieren dafür Sozial- und Umweltbelange in ihre unternehmerische Tätigkeit und engagieren sich damit über das eigene Geschäftsfeld hinaus. Mittlerweile weiten immer mehr Unternehmen die Selbstverpflichtung zu einer verantwortungsvollen Unternehmensführung auf ihre gesamte Wertschöpfungskette aus.
Der folgende Satz hat Generationen von Unternehmensverantwortlichen geprägt: «The business of business is business». Der US-amerikanische Wirtschaftswissenschaftler Milton Friedmann war der Meinung, dass die einzige soziale Verantwortung von Unternehmen die Gewinnmaximierung sei, und fasste die jahrelang vorherrschende Meinung bezüglich des Unternehmenszweckes kurz und knapp zusammen. Knapp ein halbes Jahrhundert später – die Aussage hat Friedmann bereits 1970 getätigt – steht die Einschätzung des Wissenschaftlers im klaren Gegensatz zur aktuellen Entwicklung. Heute rückt die soziale Performance von Unternehmen vermehrt in den Mittelpunkt und hat gleichzeitig direkten Einfluss auf deren Wirtschaftlichkeit. Oftmals wird dahingehend auch von der Corporate Social Responsibility (CSR), also der gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen, gesprochen. Wir konnten in den letzten Jahren immer häufiger beobachten, dass sich mehr und mehr Unternehmen für eine nachhaltige Unternehmensstrategie entscheiden. Teilweise dem sozialen Druck entsprechend, geht der Trend klar in Richtung soziale Verantwortung: Einige Unternehmen integrieren Nachhaltigkeit und Transparenz in ihre gesamte Wertschöpfungskette – inklusive Lieferanten und Tochtergesellschaften. Was zunächst nach viel Aufwand für wenig Ertrag klingen mag, hat aber nicht nur ökologische Vorteile: Für zahlreiche Unternehmen lohnt sich der Umstieg auch wirtschaftlich.
Maximal transparent und mehr
Die Anforderungen an die Supply Chain haben sich stark verändert und die Schonung von Ressourcen ist bei Weitem nicht die einzige Anforderung, die Unternehmen bezüglich ihrer Lieferkette heute haben. Ein nachhaltiger Einkaufsprozess macht beispielsweise nicht nur aus ökologischer oder operativer, sondern auch aus wirtschaftlicher Sicht Sinn. Für eine möglichst effiziente und ressourcenschonende Lieferkette bedarf es maximaler Transparenz und Digitalisierung sowie der Agilität. Immer häufiger fordern Organisationen eine möglichst »agile« Supply Chain, um so flexibel auf Veränderungen reagieren zu können. Dadurch kann man frühzeitig Neuerungen und Trends am Markt erkennen und das dadurch erschlossene Innovationspotenzial zum eigenen Vorteil nutzen. Je agiler beziehungsweise flexibler die Lieferkette gestaltet ist, desto höher sind auch die Chancen, die aktuellen Entwicklungen erfolgreich in das eigene Leitbild zu integrieren. Die Digitalisierung unterstützt hier, damit innerhalb der Wertschöpfungskette nachvollziehbar kommuniziert und schnell agiert werden kann. Durch die Digitalität sind detaillierte Einblicke in den gesamten Lieferprozess möglich, was die Effektivität innerhalb und ausserhalb des Unternehmens erheblich steigert. So ermöglichen die neuen – hochgradig cloudbasierten – technischen Funktionalitäten Datenanalysen sowie Datenaustausch in Echtzeit entlang der gesamten Supply Chain. Beispielsweise können akkurate und aktuelle Planzahlen, rasche Abrufe aktueller Bestandsinformationen, die punktgenaue Ortung verkaufter Produkte oder auch der lückenlose Informationsaustausch mit Kunden und Lieferanten gewährleistet werden. Diese und viele weitere technische Lösungen verringern Durchlaufzeiten, reduzieren Kosten und steigern die Effizienz der Prozesse. Transparenz und eine offene Kommunikationskultur innerhalb der gesamten Supply Chain sind hierbei von essenzieller Bedeutung. Durch den Einsatz cloudbasierter Lösungen greift man ohne Reibungsverlust auf Informationen im gesamten Netzwerk zu und kann zeitnah agieren und flexibler auf Markteinflüsse reagieren. Dies ermöglicht beispielsweise den Zugriff auf Compliance-Transparenz am gesamten Markt, um Lieferanten mit nachweisbaren Nachhaltigkeitszertifikaten zu finden.
Nachhaltige Beschaffung und wirtschaftliche Vorteile
Beim Stichwort Nachhaltigkeit denken viele Menschen zunächst oft an Klima und Umwelt – und liegen damit besonders im Einkaufsbereich richtig. Denn einer der grossen Vorteile einer nachhaltigen Beschaffung sind die sich reduzierenden Klimarisiken. Die Vorteile von zukunftsorientiertem Lieferkettenmanagement enden allerdings nicht beim Thema Umwelt. Auf der sozialen Ebene können Unternehmen dadurch ihre externe Wahrnehmung steigern. Zudem ist auch eine Tendenz zu mehr rechtlichen Vorschriften hinsichtlich der Nachhaltigkeit von Unternehmen zu verzeichnen. In einigen Ländern gibt es bereits Gesetze, die dahingehend spezielle Anforderungen an den Beschaffungsbereich vorschreiben. Die Einhaltung von Rechtsvorschriften und internationalen Grundsätzen ist dementsprechend einer der wesentlichsten Gründe für den Umstieg hin zu einer nachhaltigen Lieferkette. Aber auch auf wirtschaftlicher Ebene macht sich ein Umstieg bezahlt. Ursprünglich von gesellschaftlichen Erwartungen und befürchtetem Reputationsverlust getrieben, erkennen Unternehmen verstärkt die ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Vorteile nachhaltiger Beschaffung. Die Herstellung innovativer Produkte, die Förderung des guten Rufes des Unternehmens sowie die Verwirklichung von Effizienzgewinnen sind nur einige der Gründe, von denen Organisationen nach der Umstellung profitieren.
Einkaufsabteilung als Innovationstreiber
Auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit in der Beschaffung ist vor allem auch die transparente Zusammenarbeit mit Lieferanten und anderen Interessensgruppen entscheidend. Einkaufsabteilungen wirken immer häufiger als zentrale Innovationstreiber im Unternehmen, die Nachhaltigkeit und Veränderungen forcieren. Dabei gewinnt die Kollaboration mit ethisch handelnden und innovativen Anbietern immer mehr an Bedeutung. Zur Durchsetzung nachhaltiger Strategien innerhalb der Organisation erwies sich bei unseren Kunden die Einführung entsprechender Richtlinien und Kontrollmechanismen in der Beschaffung als äusserst förderlich. So bedient man sich der Fragebögen zum Thema Nachhaltigkeit in der Lieferantenauswahl oder implementiert Workflows, die mit einem Mehr-Augen-Prinzip bei der Bezugsquellenauswahl vergleichbar sind. Wichtig ist, dass die Strategien und Erwartungen offen an die Lieferanten kommuniziert werden und auch ein dialogischer Austausch möglich ist.
Drei Dimensionen der Nachhaltigkeit
Zusammenfassend wird der Eindruck erweckt, dass Nachhaltigkeit in Unternehmen mit viel Aufwand und Kosten verbunden ist. Immerhin sind für Unternehmen immer noch der Umsatz und die Kosten entscheidende Kennzahlen. Umso mehr sollte man sich nicht ausschliesslich auf die wirtschaftliche Komponente fokussieren. Es empfiehlt sich, die drei Dimensionen der Nachhaltigkeit in die Kalkulation miteinzubeziehen. Die ökologische Nachhaltigkeit zielt auf umweltfreundliches Handeln ab – mit dem Ziel, die Natur nicht überzustrapazieren. Ökonomische Nachhaltigkeit bedeutet, nicht über den Verhältnissen zu leben, wodurch auch nachkommende Generationen keine Nachteile erfahren sollen. Und von sozialer Nachhaltigkeit spricht man im Hinblick auf Menschenrechte sowie gesellschaftliche Aspekte. Die Berücksichtigung dieser Dimensionen zeichnen moderne Unternehmen aus, die in der Gesellschaft sowie am Markt immer mehr Aufmerksamkeit und Wertschätzung erhalten. Dadurch relativieren sich in weiterer Folge die Kosten für Nachhaltigkeit durch eine wachsende Nachfrage, aber vor allem durch Einsparungen im eigenen Unternehmen – mit langfristig gewinnbringenden Ergebnissen.
Schritt für Schritt zum nachhaltigen Einkauf
Der Trend zur Nachhaltigkeit bei den Unternehmen ist also klar erkennbar und in unterschiedlichsten Branchen und Unternehmensgrössen hat das Umdenken bereits begonnen. Das Global Compact Office der Vereinten Nationen hat sich bereits 2010 mit dem Prozess zur Nachhaltigkeit in Unternehmen beschäftigt und diesen in vier Schritten zusammengefasst. Im ersten Schritt geht es um die Selbstverpflichtung von Unternehmen – es werden also Visionen, Erwartungen und auch Ziele formuliert. Anschliessend wird im zweiten Schritt der notwendige Aufwand bewertet.
Wilhelm Heckmann ist Geschäftsführer der CNT Management Consulting AG in der Schweiz.