Die Region Basel ist einer der weltweit führenden Standorte für Life Sciences – diese bilden hier ein Cluster von Firmen und Organisationen, die miteinander im Wettbewerb stehen, aber auch kooperieren.
Wäre es den Menschen aus dem Basel des 19. Jahrhunderts möglich gewesen, per Zeitmaschine einen Blick in die Zukunft zu werfen, so hätten sie ihren Augen womöglich kaum getraut. Dort, wo sich zu ihrer Zeit ein Industrieareal der Chemie- und Farbstoffproduktion am Rande der Stadt zu entwickeln begann, befindet sich heute ein weltweit bedeutendes Zentrum der Life Sciences, dessen Strahlkraft zur Entwicklung Basels als «Europas Silicon Valley der Biotechnologie» auf diesem Gebiet zweifellos beiträgt: der Novartis Campus. Während Baslerinnen und Basler damals vermutlich versuchten, aufgrund der verschiedenen Geruchs- und Rauchemissionen der frühen Chemie einen möglichst grossen Bogen um diesen Teil der Stadt zu schlagen, hat sich das Areal heute zu einem Magnet verschiedenster Gruppierungen entwickelt. So begegnet man auf dem 20 Hektar grossen Gelände internationalen Forscherinnen und Forschern der Spitzenklasse, Gründerinnen und Gründern zukunftsorientierter Start-ups sowie Expertinnen und Experten der Gesundheitsbranche. Auch für die Freizeitgestaltung hat der Novartis Campus im Zuge der Öffnung vor rund einem Jahr an Bedeutung gewonnen – sowohl für Anwohnerinnen und Anwohner, die durch die grünen Parkflächen hin zum nächstgelegenen Café spazieren, als auch für Besuchergruppen, die geführt durch professionelle Guides von Basel Tourismus den Campus entdecken.
Doch warum existiert dieser Ort in seiner heutigen Form überhaupt und welchen Mehrwert bietet er für die Stadt Basel und die Region?
Ein Ort der Inspiration
Der Anfangsgedanke, der dem Novartis Campus zugrunde liegt, erschliesst sich aufmerksamen Besuchenden direkt am Haupttor. Denn das aus schmalen Metallschienen bestehende «Lettergate» des Designers Alan Fletcher trägt in Form langgezogener Buchstaben die Botschaft «Campus of Innovation Knowledge Encounter» – was auf Deutsch so viel heisst wie «Campus der Innovation, des Wissens, der Begegnung».
Den Anstoss für diese Weiterentwicklung findet man wie so oft in der Vergangenheit: 1996 wurde Novartis durch die Fusion der beiden Vorgängerfirmen Ciba-Geigy und Sandoz gegründet. Auf der Suche nach einem neuen Firmenhauptsitz und einem identitätsstiftenden Neuanfang fasste das damalige Management den Entschluss, das vorwiegend industrielle Areal St. Johann von Sandoz grundlegend umzugestalten. Dabei galt es, nicht nur genügend Platz für alle Mitarbeitenden, die zu dem Zeitpunkt in ganz Basel verteilt waren, zu schaffen, sondern auch einen Ort der Inspiration zu kreieren, der die Entstehung neuer Ideen optimal fördert.
Ein Blick in die Geschichte der Menschheit zeigt, dass Ideen häufig unvorhergesehen und durch zufällige Begegnungen oder Beobachtungen entstehen. Eine Prämisse, um den Novartis Campus in einen Ort der Inspiration zu verwandeln, war es demnach, dass sich Menschen möglichst häufig und in unterschiedlichen Settings begegnen sollen. Des Weiteren sollen aussergewöhnliche Architektur und Kunst die Quelle möglicher Inspiration erweitern sowie gleichzeitig eine «Wohlfühloase» bilden, die Mitarbeitende gerne an ihren Arbeitsort kommen lässt. All diese Denkansätze wurden schliesslich von Vittorio Magnago Lampugnani, Stadtplaner und Architekt, verfeinert und in Form eines Masterplans im Jahr 2001 zu Papier gebracht.
Gemäss einem Ranking der Boston Consulting Group zählt Novartis heute zu den 50 innovativsten Firmen weltweit. Selbstverständlich kann dieser Erfolg nicht nur auf die Gestaltung des Campus zurückgeführt werden, denn Innovation ist immer ein Zusammenspiel vieler Faktoren. Doch gibt es Anhaltspunkte, die durchaus einen gewissen Effekt vermuten lassen können. Dem kognitiven Neurowissenschaftler Colin Ellard zufolge erfüllt der Novartis Campus alle drei Kriterien, die in Anlehnung an Jonas Salk und Louis Kahn einen Ort der Inspiration charakterisieren. Auch spielt die Arbeitsumgebung eine nicht zu unterschätzende Rolle bei der Rekrutierung neuer Talente, die aufgrund ihres Expertenwissens international häufig hart umkämpft sind.
Offen für Gäste
Während Basel und der hiesige Life-Sciences-Cluster bis vor Kurzem überwiegend indirekt von der Existenz des Novartis Campus profitieren konnten, stehen die Türen nun allen offen. Seit 2020 ist der Campus für Drittfirmen aus den Life Sciences geöffnet und beherbergt unter anderem eine Niederlassung des Switzerland Innovation Park Basel Area, in dem sich aktuell rund 30 Start-ups niedergelassen haben. Auch das Friedrich Miescher Institute (FMI) sowie ein weiteres renommiertes Institut sollen in absehbarer Zeit auf den Novartis Campus ziehen. Eine Reihe von Firmen aus dem Life-Sciences-Bereich haben sich ebenfalls auf dem Novartis Campus angesiedelt. Kooperation und gegenseitige Inspiration können somit an einem eigens dafür entworfenen Ort weiter florieren und Basels Position als bedeutenster europäischer Life-Sciences-Cluster stärken.
Für den langfristigen Erfolg einer Region ist die Kooperation unter den direkt betroffen Akteuren jedoch nicht ausreichend. Auch die gesellschaftliche Akzeptanz spielt stets eine entscheidende Rolle. Die Welt der Medikamentenentwicklung ist hochkomplex und es gibt nur wenige Orte, an denen sich die Bevölkerung umfänglich informieren oder gar partizipieren kann. Hier bietet der Novartis Pavillon als bauliche Entsprechung des Öffnungsgedankens eine neue Plattform. Als vollständig öffentliches Gebäude auf dem Novartis Campus lädt der kreisrunde Bau dazu ein, mehr über die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft des Gesundheitswesens zu erfahren. Die Besucherinnen und Besucher können dabei zwischen einem Besuch in der Ausstellung «Wonders of Medicine» oder der aktiven Teilnahme an Events zu spannenden wissenschaftlichen Themen wählen.