Professionelle Therapien

Interview mit Dr. Med. Markus Weber von Georg Lutz

Dr. Med. Markus Weber.

Wer mit Beschwerden am Bewegungsapparat, sei es am Rücken, an den Beinen oder Armen zum Facharzt geht, erwartet nicht selten eine schnelle Heilung. Eine degenerative Arthrose oder entzündliche Arthritis, Weichteilerkrankungen oder sportbedingte Beschwerden und Verletzungen entstehen oft nicht innerhalb von wenigen Tagen und verschwinden auch nicht rasch.

Dr. med.Markus Weber bietet in der Praxis Neumatt in Aesch BL verschiedene Diagnosetools und Therapien an, wenn es am Bewegungsapparat schmerzt. Mindestens genauso wichtig ist aber zunächst die Erfassung der Situation. Nur wer eine Grundlage vor sich hat, kann professionelle Lösungen entwickeln

«Geschäftsführer»: Sie decken in Ihrer Praxis einen weiten Leistungsfächer ab. Orthopäde, Rheumatologe oder Clubarzt von Leistungssportlern. Ist dies historisch gewachsen?
Dr. med. Markus Weber: Seit der Gründung der Praxis 1996 gab es das Ziel, die Herausforderungen beim Thema Bewegungsapparat möglichst umfassend abzudecken. Als praktizierender Rheumatologe bin ich mit meiner Tätigkeit eher eine Ausnahme, da viele Rheumatologen in einer grossen Klinik arbeiten und dort ein eher enges Arbeitsfeld haben. Meine Tätigkeit ist jedoch breit gefächert: Seit 25 Jahren bin ich Sportmediziner und seit 18 Jahren der Leiter des Medicoteams des FC Basel. Einerseits bin ich als eher konservativ tätiger Orthopäde tätig, anderer seits betreue ich auch viele Patienten mit entzündlichen oder degenerativen rheumatischen Erkrankungen.

Wer kommt da in erster Linie zu Ihnen? Sind das eher ältere Menschen?
Nein, ich betreue den 25-jährigen Profifussballer ebenso wie Menschen im hohen Alter.

Aber es gibt sicher einen Mainstream-Moment, was das Krankheitsbild betrifft. Wir sitzen sehr lange im Büro, ernähren uns falsch und betreiben zu wenig Sport. Und irgendwann fängt es an zu zwicken.
Ja, ich sehe sehr viele Patienten mit Rücken- oder Schulterproblemen, die entweder aus dem von Ihnen geschilderten Alltag ausgelöst werden oder aus einer spezifischen Fehlbelastung herrühren, etwa wenn man sich im Garten verhoben hat. Ich habe meist mit Fehlhaltungs- und Überlastungsproblemen zu tun.

Jetzt kann man mit heutigen Mitteln solche Herausforderungen mit Medikamenten lösen.
Das allein ist der falsche Ansatz. Zunächst muss man einen Gesamtüberblick bekommen, dafür nehme ich mir Zeit. Es gilt zunächst, die Auslöser für die Beschwerden zu finden, bevor ich zu den therapeutischen Ansätzen komme. Vieles kann man in einem ersten Gespräch mit den eigenen Augen und Händen analysieren und kommt schon an diesem Punkt zu einem klaren Bild. Selbstverständlich habe ich auch technische Unterstützung wie die Ultraschalldiagnostik oder Röntgenbilder. Es geht immer darum, eine möglichst genaue Geschichte des Patienten zu eruieren. Dazu kommen bei Bedarf noch Laboruntersuchungen hinzu. Beispielsweise, wenn es um Rheuma in den Händen geht, ist es wichtig zu wissen, um welches Rheuma es sich handelt. Im Dreiklang heisst: Zuhören, Anschauen und ergänzende Untersuchungen. Mit solch einem Vorgehen kann mehr sehr gut herausfinden, um was es geht, und daraus Therapieempfehlungen ableiten.

Und dann muss man manchmal sein Leben ändern. Das geht in der Theorie, scheitert aber oft in der Praxis.
Ja, wir werden älter und dann meist auch nicht fitter. Unsere Gelenke und Muskeln müssen viel aushalten, sie verschleissen im Verlauf unseres Lebens – mal mehr oder weniger. Dann gilt es, nachhaltige Lösungen zu finden. Es kann dann sogar ein Gespräch mit dem Arbeitgeber nötig sein, um Arbeitsplatzveränderungen zu thematisieren.

… Das Thema hat vielfältige Herausforderungen.
Wenn Sie wegen eines chronischen Rückenproblems vor einem Jobverlust stehen und Mitte fünfzig sind, kann sich dies zu einer heiklen Situation entwickeln. Es braucht hier für alle Seiten langfristige und belastbare Konzepte.

Was haben Leistungssportler mit unserem Alltag zu tun?
Der Arzt kommt beim Profifussballer ins Spiel, wenn die Clubtherapeuten nicht mehr weiterkommen. Das Gelenk ist dann oft schon geschwollen oder der Muskel verletzt. Dann heisst es: «Spieler kommt», und es kann sein, dass eine lange Arbeitsschicht für mich beginnt. Sportmedizinische Abklärungen sind bei Lionel Messi oder Beat Müller grundsätzlich gleich. Bei Fussballstars arbeitet man nur in viel verdichteteren Zeiträumen. Bei der Diagnostik und Therapie ändert sich nichts. Der Unterschied ist, dass sich der Star 24 Stunden um seine Therapie kümmern kann. Wir Alltagssterblichen müssen noch viele andere Dinge machen – beispielsweise arbeiten. Die Zeitschiene ist bei uns länger.

Lassen Sie uns noch kurz auf die Herausforderungen der Corona- Situation kommen. Wie sehen Sie dies als Praktiker?
Zunächst musste ich meine Praxis umorganisieren. Wir sind keine Hausarztpraxis und daher dürfen bei uns Patienten mit Symptomen nicht in die Praxis. Bei uns herrscht Maskenpflicht. Patienten, die ein Corona-Risiko haben, sitzen bei uns nicht im Wartezimmer, sondern werden sofort durchgeschleust. Auch die Bestuhlung ist massiv gesenkt worden, um die Abstandsregeln einhalten zu können. Das Kontaktrisiko muss minimiert werden.

Die Praxis hat sich verändert?
Ja, der Schutz steht ganz oben auf der Agenda. Ich kenne hier Praxen in der Umgebung, die wurden nach Vorfällen vom Kantonsarzt geschlossen. Alle mussten in Quarantäne. Es braucht optimale Schutzmassnahmen, schlicht um weiterarbeiten zu können. Am Anfang gab es aber nicht mal Schutzmasken und Desinfektionsmittel. Man hat für Notlagen offensichtlich nicht richtig vorgeplant. Das ist für mich ein Skandal. Jetzt werden Arztpraxen aufgefordert, für drei Monate Vorräte von Masken, Handschuhen und Desinfektionsmitteln anzulegen. Dann haben wir aber noch mit der Aussage zu kämpfen, «Masken nützen nichts». Ich bitte Sie, warum hat denn ein Chirurg im Operationssaal eine Maske auf? Auch der Sonderweg der Schweiz, zunächst im öffentlichen Nahverkehr auf eine Maske zu verzichten und nur eine Empfehlung auszusprechen, versteht kein Arzt.

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