Psychiatrische Arbeitgeberberatung

PD Dr. med. Dr. phil. Daniel Sollberger ist Chefarzt im Zentrum für spezifische Psychotherapien und Psychosomatik und im Zentrum für psychosoziale Therapien.

Etwa Dreiviertel der psychiatrisch erkrankten Menschen in der Schweiz sind erwerbstätig. Allerdings: Die Leistungseinbussen und die damit verbundenen Produktivitätseinschränkungen dieser psychisch belasteten Mitarbeiter sind erheblich – nicht nur in der Schweiz. Das zeigt eine Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Die damit verbundenen betrieblichen und volkswirtschaftlichen Kosten sind hoch.

Umfragen ergeben, dass über 90 Prozent der Arbeitgeber mit psychisch belasteten Mitarbeitern zu tun haben. Die Folgen sind ungenügende Leistungen, ein problematisches Sozialverhalten und entsprechend negative Auswirkungen auf die betroffenen Mitarbeiter selbst und ihre Arbeitskollegen. Die ärztlichen Krankschreibungen wiederholen sich nicht selten und laufen über längere Phasen, sodass der Wiedereinstieg und die Stabilisierung der Arbeitssituation von Betroffenen häufig scheitern.

Vorgesetzte zu wenig geschult
Trotz der hohen Belastungen für die Mitarbeiter, Teams und Führungskräfte zeigt sich, dass Letztere kaum je im Umgang mit psychisch auffälligen oder erkrankten Mitarbeitern geschult worden sind. Die Probleme werden nicht offen angesprochen, da psychische Schwierigkeiten und Krankheiten immer noch ein Tabu sind. Zudem zögern viele Vorgesetzte, externe professionelle Hilfe zu beanspruchen.

Arbeitgeberberatung ins Leben gerufen
Vor dem Hintergrund dieser Tatsachen hat die Psychiatrie Baselland in Kooperation mit der Taggeldversicherung SWICA ein Pilotprojekt für eine psychiatrische Arbeitgeberberatung gestartet. Dazu hat sie ein interdisziplinäres Team von Ärztinnen und Ärzten, Psychologinnen und Pflegefachpersonen zusammengestellt. Die Fachleute bieten niederschwellige telefonische Beratungen für Führungskräfte an, die Schwierigkeiten im Umgang mit psychisch auffälligen Mitarbeitenden haben.

Ziel ist es, die Problematik am Arbeitsplatz professionell einzuschätzen, um den Führungspersonen zu helfen. Diese sollen sich entlasten können oder ermutigt werden und bekommen Empfehlungen, um schwierige Situationen zu klären und Lösungen zu finden. Dadurch sollen letztlich längere Krankheitsabsenzen verhindert werden. Erste Erfahrungen aus dem Pilotprojekt zeigen, dass sich die Leistung betroffener Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter oft massiv reduziert oder dass sie in ihrem Arbeits- und Sozialverhalten auffällig sind. Günstig ist, dass in vielen Fällen die Situation noch nicht eskaliert ist und zu längeren oder wiederholten Krankschreibungen geführt hat, sodass frühe Interventionen möglich sind. Allerdings stellen wir fest, dass die Hemmschwelle für Anrufe hoch ist.

Interesse gross
Das Interesse von Arbeitgebern an der Beratung ist gross, wie an Informationsveranstaltungen und Tagungen zu bemerken ist. Trotzdem wird sie noch wenig in Anspruch genommen. Gründe dafür liegen in der Schwierigkeit, solche Angebote in den Firmen bis zu den einzelnen Kadermitarbeitenden zu kommunizieren, aber auch in der Tabuisierung des Themas. Vielleicht wollen Führungskräfte aber auch aus Gefühlen des Ungenügens und Versagens die Probleme nicht nach aussen tragen.

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