TRADITION MIT LEBENDIGER GEGENWART

Interview mit Franziskus Theurillat von Gabriela Röthlisberger.

©Stadtcasino Basel | Fotografie: © Roman Weyeneth

Basel hat sich auf die Fahne geschrieben, eine Musikstadt zu sein. Rückblickend auf eine über 300-jährige Orchestertradition, ist das Sinfonieorchester Basel (SOB) ein bedeutender Mosaikstein, der viel zum Gelingen dieses Vorhabens beisteuert. Der hohe Standard des künstlerischen Aspekts trägt mit einem Löwenanteil zum Erfolg bei, doch ebenso gelingt der Spagat zwischen betriebswirtschaftlicher Finanzierung und dem Service-Management, der Schnittstelle zwischen Dienstleistenden und Kundschaft.

«GESCHÄFTSFÜHRER*IN BASEL»: Zum Begriff «Sinfonie» auf Musik bezogen fällt mir lediglich ein, dass das Wort aus dem Griechischen stammt und die Bedeutung eines zusammenklingenden, harmonischen Instrumentalwerkes hat. Wie lautet Ihre Definition?
Franziskus Theurillat: Eine Sinfonie verstehe ich als Zusammenwirken verschiedener Intensionen, ein Gesamtwerk, in dem abwechselnd das eine oder andere Instrument zum Klingen kommt. Über mehrere Jahrhunderte hinweg stellte sie die zentrale Gattung des Konzertwesens dar, wobei das Können von Orchestern und Dirigenten zum Tragen kam. Im 18. Jahrhundert kristallisierte sich die klassische Form der Sinfonie heraus, wie wir sie heute kennen und die eine dominierende Stellung im Bereich der Orchestermusik behauptet.

Wie steht es um die Basler Musikkultur?
 Basel ist eine traditionsreiche Musikstadt mit dem glücklichen Umstand, eine Vielzahl an international bekannten Musikpersönlichkeiten zu beherbergen. Damit kann unter dem Strich ein sehr attraktives und qualitativ überdurchschnittliches musikalisches Angebot generiert werden.

Welche Bedeutung hat das SOB für die Orchesterlandschaft Basels?
 Als einziges vollprofessionell aufgestelltes Orchester, welches zum Teil durch Staatsbeiträge der Kantone Basel-Stadt/Basel-Landschaft finanziert wird und somit einen Leistungsauftrag zu erfüllen hat, spielt das SOB in der hiesigen Orchesterlandschaft eine prägnante Rolle. Wir stellen jede Saison mit hochkarätigen solospielenden Personen und Dirigent*innen ein breitgefächertes sinfonisches Repertoire auf die Beine, das beim Publikum grossen Anklang findet. Das SOB setzt sich auch für aktives Erleben von Musik ein, indem es vielfältige Musikvermittlungsprogramme an unterschiedliche Altersgruppen richtet. Auch sind wir mit Radioaufzeichnungen, Streamingaktivitäten und neuen digitalen Formaten am Start.

Sie haben als Orchesterdirektor wahrscheinlich keinen typischen «Nine-to-five-Job». Mit welchem Rüstzeug sollte man in diesem Beruf ausgestattet sein?
 Fachkenntnisse sind natürlich wichtig. Ich habe Musik und später berufsbegleitend Betriebswirtschaft studiert, von da her bin ich gut aufgestellt. Im Familienunternehmen konnte ich wertvolle Erfahrungen im Management sammeln, die mir in meiner beruflichen Tätigkeit ebenfalls sehr hilfreich sind. Sozialkompetenz ist eine unabdingbare Voraussetzung. Grundsätzlich sollte man ein Philanthrop sein und Interesse an Persönlichkeiten aus mannigfaltigen Kulturbereichen mitbringen – im SOB sind aktuell Musiker*innen aus 20 Nationen vertreten. Ausserdem braucht es Passion, ausgezeichnete Nerven, ruhiges Blut und das berühmte dicke Fell.

Frankziskus Theurillat, Orchesterdirektor des Sinfonieorchesters Basel (SOB)

Welche Aufgaben stemmt die Geschäftsführung des SOB?
Da kommt einiges zusammen. In erster Linie wird dafür gesorgt, dass der Leistungsauftrag umgesetzt wird und die Planung der Stiftung reibungslos funktioniert. Da das SOB seit 2012 in künstlerischer und unternehmerischer Eigenverantwortung auftritt, gilt es, die finanzielle Verwaltung der Einnahmen des SOB zu regeln. Hinzu kommen die Öffentlichkeitsarbeit und Kontaktpflege mit Partnerorganisationen und Mäzenen. Arbeitsverträge und generell die Personalpolitik gehören selbstverständlich auch zum Aufgabenbereich.

Wo kann man die musikalischen Darbietungen des SOB geniessen?
Die Hauptspielstätte ist das erst kürzlich von den Stararchitekten Herzog & de Meuron während mehrerer Jahre aufwendig renovierte Stadtcasino Basel. Der Konzertsaal verfügt nun über eine fantastische Akustik, die drittbeste in Europa, und repräsentiert damit einen regelrechten Leuchtturmeffekt.

Können Sie mir den betriebswirtschaftlichen Kontext nahelegen?
 Finanziert wird das SOB zu 80 Prozent durch öffentliche Gelder, die Staatsbeiträge der Kantone Basel-Stadt und Basel-Landschaft. Dies garantiert uns, dass das Niveau des vollprofessionellen Orchesters kontinuierlich hochgehalten werden kann. Hinzu kommen mit ungefähr zehn Prozent Beiträge Dritter, also Förderbeiträge, Sponsoren, Mäzene und dergleichen. Der Rest wird durch Einnahmen aus eigenen Veranstaltungen, Gastspielen sowie Vermietungen abgedeckt. Seit 1988 werden wir von einer Stiftung getragen, deren Zweck im Sinne der Stiftungsurkunde die Organisation, Finanzierung und Verwaltung eines ständigen Orchesters beinhaltet. Die Stifter sind die Kantone Basel-Stadt und Basel-Landschaft sowie das Theater Basel und die allgemeine Musikgesellschaft Basel.

Stichwort Dreiländereck – besteht ein reger Austausch mit Deutschland und Frankreich?
 Aus dem süddeutschen Raum stammen trotz des markanten Preisgefälles sieben bis acht Prozent des gesamten Abonnementvolumens. Mit dem angrenzenden Elsass klappt es bis anhin leider noch nicht so ideal, aber es wird kontinuierlich daran gearbeitet. Wir gleisen verschiedene innovative Marketingaktionen auf, um die Anzahl der Besuchenden aus den angrenzenden Ländern zu optimieren und die Abonnements zu steigern.

Wie setzen sich die Zielgruppen konkret zusammen, die das SOB ansprechen möchte?
 Äusserst vielfältig. Kinder, weltoffene Jugendliche und Familien sind uns wichtig, weshalb das SOB für alle Schulstufen kindgerechte Konzerte anbietet, die pädagogisch ausgereift sind. Das fängt bei den beliebten Kindergartenvorstellungen von mini.musik für die Kleinsten an, und geht weiter zu den Familienkonzerten, die spannende Geschichten mit viel Musik für Kinder ab der ersten Primarschulklasse zum Inhalt haben. Nicht zu vergessen sind die kommentierten Sinfoniekonzerte für Klassen der Sekundarstufe I und II, die als Probebesuch zum Schnuppern möglich sind. Dann gibt es die Segmente Geniesser, Nostalgiker und Musikexperten, die das SOB mit 50 bis 60 Konzerten in entsprechenden Formaten bedient.

Welche Faktoren führen zu der grossen Beliebtheit des SOB und zu der Abonnentensteigerung von 25 Prozent in den letzten Jahren?
 Das ist ein Zusammenspiel im Dreiklang: Qualität des Orchesters, dramaturgische und technische Programmqualität sowie das Stadtcasino als Hauptspielstätte mit herausragender Akustik.

Wie schwierig gestaltete sich die Spielzeit des SOB rückblickend über die letzten 2.5 Jahre?
 Das Absagen aller Kulturveranstaltungen wegen der Coronakrise zwang uns, als Kulturinstitution neue Wege zu beschreiten, denn eine Untätigkeit des Orchesters kam nicht infrage. Im Handumdrehen zogen wir alle am gleichen Strang und entwickelten gemeinsam innovative Projekte als Ersatz für die ins Wasser gefallenen Konzerte. Ermöglicht wurde dies durch den unermüdlichen Einsatz des Orchesterbüros und die enorme Flexibilität des Orchesters. Seitens des treuen Publikums wurde dieses Engagement dankbar angenommen und hatte zu unserer Freude eine sehr positive emotionale Kundenbindung zur Folge. Die Rückkehr zur «neuen Normalität» fiel uns dementsprechend nicht schwer.

 Wie sieht Ihre Perspektive für das SOB aus?
 Allem voran wünsche ich mir, dass Klassik ihren Stellenwert, den sie seit Jahrhunderten konserviert hat, auch zukünftig in unserer schnelllebigen Gesellschaft nicht einbüsst und für ein Publikum, von Jung bis Alt, weiterhin attraktiv bleibt. Wir werden uns noch intensiver der Herausforderung stellen müssen, neue Ideen zu entwickeln, und diese realisieren, ohne dass die Tradition auf der Strecke bleibt. Formate müssen kontinuierlich weiterentwickelt oder mit Populärkulturen kombiniert werden, damit klassische Musik weiterhin das Eintauchen in eine andere Welt ermöglicht, in der sich Kraft tanken lässt.

www.sinfonieorchesterbasel.ch