Die politische Karriere von Tanja Soland begann im Jahr 2001 mit ihrem Beitritt zur SP. Nach fünf Jahren durfte sie in den Grossen Rat nachrücken, wo sie sich hauptsächlich in der Finanzkommission (Fkom) sowie der Justiz-, Sicherheits- und Sportkommission (JSSK) aktiv einbrachte. Zusätzlich hatte sie mehrere Jahre lang das Fraktionspräsidium der SP inne und war von 2013 bis 2019 Präsidentin der JSSK. Seit Februar 2020 ist sie Regierungsrätin und Vorsteherin des Finanzdepartements.
Dr. Tanja Soland wurde damals mit glanzvollen 26’935 Stimmen im ersten Wahlgang in die Exekutive des Stadtkantons gewählt. Nach etwas mehr als drei Jahren Amtszeit gilt sie als eine Kantonspolitikerin mit Passion, die gerne nahe bei den Leuten ist. Dabei verlässt sie sich einerseits auf ihren politischen Kompass und andererseits auf ihr Wissen, wie immens wichtig es ist, den Wünschen der Bevölkerung zuzuhören und diese ernst zu nehmen.
GESCHÄFTSFÜHRER*IN BASEL: Frau Soland, auf ihrem Ausbildungs- und Berufsweg gibt es einige bemerkenswerte Meilensteine: Psychiatriepflegerin, Matura, Rechtsstudium, Dissertation, Anwältin, Universitätsdozentin. Als Strafverteidigerin haben Sie sich für unterprivilegierte Menschen am Rande der Gesellschaft stark gemacht und diese aus tiefster Überzeugung vertreten. Sie waren von 2006 bis 2019 Grossrätin von Basel-Stadt, amtierten von 2009 bis 2013 als Fraktionspräsidentin der SP, ebenfalls in diesem Zeitraum präsidierten Sie die Wahlvorbereitungskommission und von 2013 bis 2018 die Justiz-, Sicherheits- und Sportkommission. Ende Oktober 2019 wurden Sie im ersten Wahlgang als Nachfolgerin der zurückgetretenen Eva Herzog (SP) in den Regierungsrat gewählt und kurz darauf, Anfang Februar 2020, traten Sie das Amt der Finanzdirektorin an. Woher nehmen Sie die Energie, um die Herausforderungen und das intensive Arbeitspensum zu stemmen? Dr. Tanja Soland: Das Wichtigste ist die Freude an der Arbeit, wobei ich sagen muss, dass ich das Amt als Regierungsrätin eher als Privileg denn als Arbeit ansehe. Aber selbstverständlich brauche ich auch einen Ausgleich, um wieder Energie zu tanken, vor allem für die sehr stressigen Zeiten. Meine Hündin Canela sorgt dafür, dass ich nicht nur arbeite, sondern viel mit ihr spazieren gehe. Zudem habe ich tolle und unterstützende Freundschaften.
Als die Coronakrise hohe Wellen schlug, hatten Sie Ihren Einstieg als Finanzdirektorin von Basel-Stadt. Wie sehr haben Ihnen die damit verbundenen Einschränkungen das neu auferlegte Amt erschwert?
Das war wirklich ein Start unter erschwerten Bedingungen. Nur drei Wochen nach Amtsantritt war die Corona-Pandemie auch in Basel-Stadt endgültig angekommen. Wenn man als Regierungsrätin neu ein Departement mit 700 Mitarbeitenden übernimmt, dann möchte man natürlich möglichst viele von ihnen treffen und kennenlernen. Aber wir mussten ja alle ins Homeoffice schicken und Abstand halten. Zudem war der Arbeitsaufwand massiv erhöht. Die Coronapandemie erforderte rasches Handeln und Anpassungen an immer neue Rahmenbedingungen. Sich ruhig einzuarbeiten, war da nicht drin.
Können Sie sich an den Zeitpunkt erinnern, an welchem Ihr politisches Empfinden aufgekeimt ist – bereits im Jugendalter oder vielleicht sogar noch früher?
An einen speziellen Zeitpunkt kann ich mich nicht erinnern. Ich war bereits als Jugendliche sehr interessiert an der Politik und am Weltgeschehen. Besonders freute ich mich auf den Tag, an dem ich endlich mitstimmen durfte. Damals war das leider erst mit 20 Jahren. Aktiv in die Politik eingetreten bin ich aber erst, als ich mit 26 Jahren mein Jurastudium aufgenommen habe. Das Studium war meine Zweitausbildung, nachdem ich einige Jahre als Psychiatriepflegerin gearbeitet hatte.
Sie haben einen ausgeprägten Sinn für Chancengleichheit und setzen sich dafür mit grossem Engagement ein. Wie oft mussten Sie, als Arbeitertochter aus dem Quartier Rosental, beim Erklimmen der Karriereleiter Hürden überwinden?
Das kam immer wieder vor. Dank meines sehr engagierten Primarlehrers schaffte ich es zwar ins Gymnasium, aber als meine schulischen Leistungen nicht mehr so gut waren, wurde es dort für mich schwierig. Mir wurde auch nahegelegt, ich solle die Schule verlassen und eine Lehre beginnen – nicht in einem persönlichen Gespräch, sondern vor versammelter Klasse. Am Ende habe ich dann die Matura nicht geschafft und musste diese auf dem zweiten Bildungsweg nachholen. Es entstand bei mir der Eindruck, dass der soziale Hintergrund letztendlich doch eine Rolle spielte. Zudem waren die finanziellen Verhältnisse zu Hause angespannt, weshalb wir uns eine schulische Unterstützung für mich nicht leisten konnten.
Die allseits bekannte Redensart «mit einem goldenen Löffel im Munde geboren sein» trifft auf Sie nicht zu. Haben Sie eventuell deshalb ein Herz für Benachteiligte, weil Sie einen realistischen Einblick in eine Welt gehabt haben, in der nicht immer alles wie am Schnürchen gelaufen ist?
Vielleicht. Ich kann das nicht beurteilen, da ich es nicht anders kenne. Aber ja, ich habe in meinem Leben tragische Ereignisse und persönliche Misserfolge erlebt, sodass dies für mich zum Leben dazugehört. Es ist für mich daher wichtig, Verständnis zu haben und auch verzeihen zu können. Alle verdienen eine zweite Chance – und manchmal auch eine dritte.
Ist «Zielstrebigkeit» eine Ihrer wichtigsten Charaktereigenschaften? Können Sie sich mit dieser Beschreibung identifizieren?
Eigentlich sehe ich mich nicht so sehr als zielstrebig an. Ich habe immer einen Schritt nach dem anderen gemacht. Und manchmal hatte ich gar kein konkretes Ziel vor Augen. Ich würde eher sagen, dass ich ein sehr gutes Durchhaltevermögen habe. So hatte ich beispielsweise auch die Energie, die ganze Matura nochmals zu wiederholen. Das hat über drei Jahre gedauert.
Wie gross sollte die Portion an Ehrgeiz sein und welcher Grad an Perfektionismus ist nötig, um Regierungsrätin und Vorsteherin des Finanzdepartements Basel zu werden?
Ehrgeiz ist sicher von Vorteil. Dazu gehören auch der Wille und die Bereitschaft, sich politisch einzusetzen, Verantwortung zu übernehmen und Chancen zu nutzen. Der Perfektionismus hingegen sollte meines Erachtens nicht zu ausgeprägt sein. Da ich sehr streng mit mir bin, macht mir das manchmal eher Mühe. Etwas perfekt zu machen, bedeutet oft auch, viel Zeit investieren zu können. Das ist als Regierungsrätin nicht immer einfach. Ich versuche, meine Arbeit gut, engagiert und aufrichtig zu erledigen. Eine gute Portion Gelassenheit ist in diesem Amt also durchaus Gold wert.
Welches sind Ihre Stärken im Amt als Regierungsrätin?
Das sollen andere beurteilen. Es ist schwierig, sich selbst zu loben.
Die Schwerpunkte Ihres politischen Wirkens liegen meines Wissens auf einer stabilen sowie nachhaltigen Finanzlage und bezahlbarem Wohnraum. Habe ich bei dieser Aufzählung etwas Wichtiges vergessen?
Erwähnen würde ich noch die Transparenz. Es ist mir ein wichtiges Anliegen, das staatliche Handeln transparenter und verständlicher zu machen. Ich bin davon überzeugt, dass man damit das Vertrauen der Bevölkerung in die Institutionen stärken kann. Das Vertrauen der Bevölkerung ist für mich ein wichtiger Träger unseres Rechtsstaats und der Demokratie. Wenn die Menschen am Staat zweifeln, dann wird dieser schwächer.
Haben Sie damit auch der sogenannten «Vetterliwirtschaft» den Kampf angesagt?
«Vetterliwirtschaft» an sich wird wahrscheinlich immer stattfinden. Daher ist es wohl weniger ein «Kampf» als mehr ein Versuch, die Arbeit und die Prozesse der Verwaltung so transparent wie möglich zu gestalten.
Seit gut drei Jahren sind Sie nun im Amt. Auf welches erfolgreiche Projekt können Sie und Ihr Departement mit besonders viel Stolz zurückblicken?
Es ist schwierig, ein Projekt herauszugreifen. Das würde der Vielzahl der Projekte, mit denen sich die Dienststellen Steuerverwaltung, Finanzverwaltung, HR BS, IT BS und Immobilien Basel-Stadt beschäftigen, nicht gerecht. Die knapp 700 FD-Mitarbeitenden leisten tolle Arbeit und es gibt in allen Bereichen erfolgreiche Projekte.
Ein Erfolg liegt noch nicht lange zurück: Mitte März hat die Stimmbevölkerung sehr deutlich einem Steuersenkungspaket zugestimmt, welches die Bevölkerung um 88 Millionen Franken entlastet. Ab wann tritt diese positive Änderung in Kraft?
Die Steuersenkungen treten rückwirkend auf das Steuerjahr 2023 in Kraft. Die klare Zustimmung von 84 Prozent hat mich sehr gefreut und war wirklich ein schöner Erfolg.
Ihr Departement ist auch für das «Wohnbauprogramm 1000+» verantwortlich. Damit sollen bis 2035 rund 1000 neue preisgünstige Wohnungen in Eigeninvestition realisiert werden. Wie ist der aktuelle Stand dieses Projektes?
Wir haben bereits 31 Wohnungen erstellt und beginnen nun mit dem Bau von «Volta Ost», also weiteren 104 Wohnungen. Zusätzliche Projekte sind in Planung respektive in der Umsetzung, zum Beispiel rund 140 auf dem Areal «Volta Nord» und etwa 110 auf dem Areal «Am Walkeweg». Da es sich um neue Wohnungen handelt, dauert es von der Planung bis zum Bezug einige Zeit. Aber es sieht gut aus, dass wir das Ziel erreichen.
Basel-Stadt hat sein Anleihenspektrum mit Social Bonds erweitert und nimmt damit schweizweit eine Pionierrolle ein. Können Sie mir darüber mehr Details erzählen?
Der Kanton Basel-Stadt war der erste Schweizer Emittent eines Social Bonds. Dabei handelt es sich um eine Finanzanleihe, die für einen bestimmten Zweck verwendet wird – in diesem Fall für den Erhalt von preisgünstigem Wohnraum. Mit dem Social Bond haben wir einen Teil des Kaufs des Clara-Areals finanziert. Bereits seit einigen Jahren setzt Basel-Stadt auch auf Green Bonds. Mit diesen «grünen Finanzanleihen» werden energetische Sanierungen und energieeffiziente Neubauprojekte finanziert.
Ihnen ist auch der Chief Digital Officer (CDO) von Basel-Stadt unterstellt. Welche konkreten Vorteile können durch die digitale Transformation für die Bevölkerung generiert werden?
Wichtig ist: Digitalisierung ist kein Selbstzweck. Sie soll der Bevölkerung nutzen, beispielsweise indem die Dienstleistungen der Verwaltung einfacher werden und jederzeit verfügbar sind. Prozesse können so beschleunigt werden. Das spart Zeit und Nerven – auf beiden Seiten. Die digitale Transformation ist eine Daueraufgabe und unser Anspruch ist es, uns stetig zu verbessern.
Sie sind in Basel geboren, verbrachten Ihre Kindheit in Binningen und im «Glaibasel», absolvierten Ihr Studium sowie die Dissertation an der Universität Basel, haben Ihren Wohn- und Arbeitsort in der Stadt am Rheinknie. Mit welchen Worten würden Sie Ihre Verbundenheit zu Basel formulieren?
Basel ist Heimat für mich, wobei ich damit die Stadt und die Umgebung meine. Die Verbundenheit kennt keine Kantons- oder Landesgrenze. Bisher hat es nur Namibia geschafft, bei mir ein ähnliches Gefühl hervorzurufen.
Wie sieht Ihre Vision für die Entwicklung von Basel-Stadt in den kommenden zehn Jahren aus?
Aus Sicht der Finanzdirektorin hoffe ich sehr, dass wir weiterhin eine stabile und nachhaltige Finanzpolitik betreiben können. Dies ist die Basis, um die erfolgreiche Entwicklung unseres Kantons weiterzuführen. Mir ist wichtig, dass soziale und wirtschaftliche Anliegen nicht gegeneinander ausgespielt werden, und ich hoffe, dass das auch in Zukunft nicht der Fall sein wird. Und als Hundebesitzerin wünsche ich mir ganz konkret mehr Grünflächen – insbesondere auch solche für Vierbeiner.
Welche städtebaulichen Konzepte stehen in den nächsten Jahren für Basel an?
Basel-Stadt hat einige grosse Transformationsareale, auf denen in den nächsten Jahren und Jahrzehnten viel passieren wird. Ein Projekt wird die Entwicklung auf dem Klybeck- und Westquai sein. Durch die geplante Verlagerung der Hafenbahn wird ein neues Quartier mit einem grossen Park entstehen. Da der Boden dem Kanton gehört, werde ich bei der Planung mitinvolviert sein. Darauf bin ich schon sehr gespannt.