Wer sich mit Wein auskennt, dem ist der Name Antinori ein Begriff: Seit dem Jahr 1385 führt die toskanische Adelsfamilie Antinori eines der ältesten Weingüter der Welt. Die Geschichte der Antinoris und ihres Erfolges als Winzer besteht nun schon seit 26 Generationen und hört nicht auf. Heute steht Albiera Antinori – als eine von drei Töchtern von Marchese Piero Antinori – zum ersten Mal als weibliche Führungskraft an der Spitze des Unternehmens. Zu Besuch in ihrem Landgut Tignanello inmitten einer saftig blühenden, toskanischen weiten Landschaft erfahren wir bei einem italienischen Mittagessen mit mehreren Weinproben Spannendes über die eindrucksvolle Historie des Weingutes Antinori, das Leben der Familie und ihre Leidenschaft für Gastfreundschaft und Italien.
Man könnte meinen, ein «Antinori» sei die Bezeichnung für die längst mögliche Weinbautradition, so lange widmet sich die Familie von Piero Antinori, der Herstellung und dem Verkauf von Weinen, nämlich seit dem 12. Jahrhundert. Das toskanische Adelsgeschlecht zählt seit 1385 zur Florentiner Zunft der Winzer und Weinhändler, ursprünglich verdienten sie aber vor allem mit dem Handel von Seide und Bankgeschäften im In- und Ausland ihr Geld. Ende des 14. Jahrhunderts wütete die Pest in der wohlhabenden und aufstrebenden Handelsstadt Florenz, auch soziale Unruhen und kriegerische Handlungen prägten das Stadtbild. Zu dieser Zeit entstanden auch die Anfänge für die spätere Erfolgsgeschichte des Weingutes Antinori: Es war Giovanni di Pietro Antinori, der im Jahr 1385 als Sohn einer florentinischen Handelsfamilie die Entscheidung traf, Florenz den Rücken zu kehren, um im Umland die ersten Hektar Land zu kaufen, die zum Teil noch heute für die Kultivierung klassischer Weine aus dem Chianti Classico genutzt werden. Im Jahr 1506 erwarb Niccolò di Tommaso Antinori, Vater von Piero, für 4000 florentinische Goldgulden in Florenz einen prachtvollen Palast in der Nähe des Domes, den «Palazzo Antinori», der heute nicht nur als Wohnsitz der Familie dient, sondern auch das Restaurant «Cantinetta Antinori» beherbergt. Allein schon die florentinische Architektur aus dem 14. Jahrhundert versetzt einen in Staunen, während man die gesamte Palette an Antinori-Weinen mit köstlichen italienischen Delikatessen serviert bekommt. Im Laufe der Jahre erwarb die Familie Antinori immer mehr kleinere Wein- und Landgüter sowie Weinberge in der Toskana. Inzwischen gehören Weinberge und Güter wie Tignanello, Santa Maria und Paterno zum Portfolio der Familie, die im Jahr 1863 die Fattorie dei Marchesi Antinori gründete, in denen die grössten toskanischen Weingüter der Familie gebündelt werden sollten. Es war 1930, als das Weingut Antinori den heute allseits beliebten Klassiker, den Villa Antinori, auf den Markt brachte, der als stilprägend für die weitere Entwicklung im Chianti Classico gilt. Weine aus dem Chianti Classico stehen für ausgezeichnete Lagerfähigkeit und hohe Komplexität.
Übernahme durch Piero Antinori
In vielen Familien bricht früher oder später ein Mitglied mit der Tradition, jedoch nicht Piero Antinori. Es spornte ihn an, dass er die Tradition von Jahrhunderten erfolgreich fortsetzte. Mit nur 28 Jahren im Jahr 1968 folgte Piero seinem Vater Niccolò als Präsident des Weinunternehmens «Marchesi Antinori». Niccolò führte das Weingut mit Bravour durch die schweren Zeiten im 2. Weltkrieg, Piero jedoch musste sich gleich zu Beginn seiner Übernahme grossen Herausforderungen stellen. Denn die Überflutungen durch den Fluss Arno im Jahr 1966 hatten eine Zerstörung der Weine im Keller der Antinori zur Folge. Piero reagierte mit Modernisierungen, um die traditionelle Weinherstellung an die Gegebenheiten der Zeit anzupassen, zum Beispiel schaffte er temperaturkontrollierte Stahltanks an, die noch heute in den Weinkellern der Familie Antinori eingesetzt werden.
Eine endlose Erfolgsgeschichte
Im Powerpack mit seinen Töchtern Albiera, Allegra und Alessia ist es Piero Antinori mit viel Leidenschaft gelungen, das Haus der Marchesi Antinori zu einem weltbekannten Unternehmen zu führen, das neben rund 14 Weingütern in Italien auch zwei Dutzend internationale Joint Ventures umfasst. Nur eine gute halbe Autostunde von Florenz in Richtung Siena liegt der beschauliche Ort Bargino. Hier hat die Familie Antinori vor einigen Jahren ihr neues imposantes Hauptquartier erbaut, ein architektonisches Meisterwerk als Ergebnis siebenjähriger Bauarbeiten. In der Kellerei erlebt man die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Familie Antinori. Den Auftrag für das Kunstwerk erhielt das Architekturbüro Archea Associati, Konstruktion und Bautechnik erfolgte durch das Unternehmen Hydea. Das rotbraune Bauwerk wurde mit natürlichen Materialien wie Cotto, Holz, Corten-Stahl und Glas erbaut und führt über eine gigantische Wendeltreppe scheinbar endlos auf eine Terrasse mit einem Blick in die grünen Weinberge des Chianti Classico, der einem den Atem raubt. Der weite Blick in die Zukunft lässt auch erahnen, dass die Erfolgsgeschichte der Antinoris noch lange nicht zu Ende geschrieben ist, sondern nun in der Verantwortung von Albiera und ihren Schwestern Allegra und Alessia eine spannende Fortsetzung verspricht.
Albieras Vision ist es, einen ganz besonderen Wein für jedes einzelne Weingebiet zu produzieren, was bedeutet, dass der Weinanbau-Prozess ständig optimiert werden muss. Auch international möchte Albiera den Fokus auf das Weingeschäft in China und Nordamerika verstärken, zwei der wichtigsten Märkte für edle Weine. Ausserdem verändert die rasant zunehmende Digitalisierung das Geschäft, denn die Online-Nachfrage nach Wein steigt immens. Antinori-Weine werden allerdings hauptsächlich über Restaurants und den Einzelhandel verkauft.
Der Trend entwickelt sich hin zu weniger Alkoholgehalt, einer frischeren Note und nachhaltiger, organischer Produktion. Die vermehrte Produktion von leichtem Rosé-Wein folgt diesem Trend. Eine grosse Veränderung der heutigen Zeit ist, dass mit Albiera, Allegra und Allesia zum ersten Mal weibliche Führungskräfte der Familie Antinori das Unternehmen leiten. Albiera nimmt die Herausforderung gelassen, «Frauen sind genauso gute Winzer, wie Männer es sind.» Das Einzige, was etwas mehr Organisation bedeutet, ist, nebenbei Kinder zu bekommen und grosszuziehen. Denn die nächste Generation wird schon auf ihre Aufgaben im Unternehmen vorbereitet. Im Gegensatz zu den drei Schwestern wird vom Nachwuchs heute verlangt, berufliche Erfahrungen auch ausserhalb des Familienunternehmens zu sammeln und ein Studium zu absolvieren. So erwarb Verdana, die Tochter von Albiera, einen Abschluss in Landwirtschaft an der Universität in Mailand, und ihr Sohn Vittorio arbeitete für Mumm Champagner in Sydney. Auch wenn sich die Anforderungen an den Weinbau stetig verändern, in einer Zeit des Klimawandels und der Digitalisierung werden die Antinoris auch in Zukunft mit aussergewöhnlichen Weinsorten in einer nachhaltig zertifizierten Herstellung überraschen und die Welt mit ihren Weinen und dem damit verbundenen geselligen Zusammentreffen ein wenig leichter und glücklicher gestalten