Parkplatzmisere, Staus, Baustellenchaos – Urs Schweizer, Präsident der Basler Sektion des ACS, beobachtet mit wachsendem Unbehagen die Unfähigkeit der für die Basler Verkehrspolitik Verantwortlichen zu pragmatischen und realitätsnahen Lösungen.
Interview mit Urs Schweizer von Niggi Freundlieb
Der ehemalige Nationalrat und Präsident der Basler FDP, der Anfang Jahr nach zehn Jahren von seinem Grossratsmandat zurücktrat und mit seinem Rücktritt aus dem Bürgerrat Mitte Jahr seine politische Karriere langsam ausklingen liess, gehört aber kraft seines Amtes als ACS-Präsident immer noch zu jenen Stimmen, die in den leidigen Diskussionen um die Basler Verkehrspolitik wahr- und ernst genommen werden.
Im Interview mit dem GESCHÄFTSFÜHRER macht Urs Schweizer aus seinem Herzen keine Mördergrube und nennt Ross und Reiter, wenn es darum geht, die Problempunkte der Basler Verkehrspolitik zu orten.
GESCHÄFTSFÜHRER: Was ist Ihre zentrale Kritik an der Basler Verkehrspolitik?
Urs Schweizer: Aus ideologischen Gründen wird die motorisierte Mobilität bekämpft. Pragmatische und ökonomische Überlegungen sind zweit- und drittrangig. Es geht bei der aktuellen Basler Verkehrspolitik nicht mehr darum, optimale Bedingungen für die legitimen Bedürfnisse aller Verkehrsteilnehmenden und aller Verkehrsträger zu schaffen, sondern sie gegeneinander auszuspielen und insbesondere das Auto als Verursacher allen Übels zu verteufeln. Vor allem aber kritisiere ich auch, dass keine langfristigen Visionen und Konzepte entwickelt werden und dass – zum Beispiel bei der Osttangente und den Autobahnen, aber auch im Bereich des OeV und des Schienenverkehrs – abgewartet und die Verantwortung an andere abgeschoben wird. Nachdem ja die Automobilverbände und das Gewerbe klare Worte zum Thema Osttangente gesprochen haben, ist jetzt wenigstens auch aus Bundesbern Bewegung in die Geschichte gebracht worden.
An wen richtet sich Ihre Kritik im Speziellen?
Viele Köche verderben den Brei! Sicher trägt Hanspeter Wessels als Vorsteher des Bau- und Verkehrsdepartements eine grosse Verantwortung für die aktuellen Probleme, aber auch dafür, dass in seinem Departement ein nicht wertneutrales, sondern ideologisch gefärbtes, gegen die motorisierte Mobilität gerichtetes Klima herrscht, was von vornherein gerade für die diesbezüglichen Bedürfnisse der Wirtschaft verheerend ist. Oder nehmen wir das sich nun in der Vernehmlassung befindende verkehrspolitische Leitbild des Regierungsrates zur Umsetzung des Städte-Initiative-Gegenvorschlags. Herausgekommen ist da doch vor allem ein Sammelsurium an untauglichen und wirtschaftsschädigenden Verkehrsverhinderungsmassnahmen. Als Gewerbler stelle ich fest, dass die Verwaltung teilweise – nicht überall – relativ praxisfern agiert, um es einmal vorsichtig auszudrücken. Wer die ursprünglichen Bestimmungen des Verkehrskonzepts für die Innenstadt gelesen hat, weiss, von was ich rede, wobei die zum Beispiel vom Gewerbeverband im Nachhinein konzertierten Vorstösse lediglich in Nuancen eine Verbesserung erreicht haben. Nichts gegen an den Universitäten dieser Welt gut ausgebildete Mitarbeitende, aber Science-Fiction gehört auf die Leinwand oder ins Bücherregal, sollte aber nicht die Grundlage der täglichen, vom Steuerzahler alimentierten Arbeit sein. Ich meine, es ist zwar höchst ehrenwert, wie sich der Präsident der Umwelt-, Verkehrs- und Energiekommission (UVEK), Michael Wüthrich, für das Klima einsetzt, aber zu glauben, dass die Welt ausgerechnet hier von Basel aus gerettet werden könnte, halte ich doch für etwas ambitioniert! Überhaupt fehlt es unserer basel-städtischen Politik auch ein bisschen am Willen, etwas zu verändern. Nehmen wir das Beispiel Herzstück Regio-S-Bahn. Da geht seit Jahren nicht viel, man diskutiert über die Streckenführung oder wie viel Geld der Bund beisteuern müsste, aber konkret passiert nicht viel. In Zürich ist man dagegen bei der Durchmesserlinie in finanzielle Vorleistung gegangen und hat das Projekt realisiert. So etwas wäre doch auch hier möglich.
Eine Mehrheit der Stimmbürger stützt zum Beispiel die Forderungen nach einer Reduktion des motorisierten Individualverkehrs um zehn Prozent – wehren Sie sich gegen demokratisch herbeigeführte Entscheidungen?
Abgelehnt wurde ja ursprünglich die Städte-Initiative, die eine Reduktion von 25 Prozent vorsah. Angenommen wurde der regierungsrätliche Gegenentwurf, der eine Reduktion von zehn Prozent vorsah, was allerdings schon damals Bau- und Verkehrsdirektor Wessels auch als schwer zu realisierende Aufgabe bezeichnete. Wir haben heute ein Bevölkerungswachstum, und die Bedürfnisse der Wirtschaft nach Mobilität nehmen zu. Anstatt nun sofort zum Beispiel Projekte wie den Gundeli-Tunnel, eine Ringautobahn rund um Basel, die Entlastung Allschwil oder die Zurverfügungstellung genügenden Parkraums in Angriff zu nehmen, lässt man sich Zeit oder zieht man sich auf den Standpunkt zurück, dass die Bevölkerung dies nicht will, reduziert stattdessen Verkehrsflächen und priorisiert den OeV, auch wenn dieser gar nicht über die entsprechenden Kapazitäten verfügt. Demokratie sieht durchaus vor, bei verändernden Sachverhalten über die Bücher zu gehen, sich neuen Fragen zu stellen und neue Lösungen zu entwickeln, aber man muss es wollen. Ich erlebe aber eine Zeit, wo es immer schwieriger wird, miteinander zu gemeinsamen Lösungen zu kommen. Heute verfolgen in Politik und Gesellschaft die Menschen vor allem ihre eigenen Interessen, fahren schnell die Ellbogen aus und ignorieren andere Meinungen. Wie im täglichen Umgang die Intoleranz gegenüber dem Mitmenschen grösser geworden ist, beobachte ich in der Politik einen raueren Umgangston und das egoistische Verfolgen der eigenen politischen Ziele. Ich habe immer betont, dass nur ein Miteinander der verschiedenen Verkehrsträger und aller Verkehrsteilnehmenden zu vernünftigen Lösungen führen kann. Eine fussgängerfreundliche Innenstadt ist toll, wenn aber Lieferanten oder Handwerker nur unter erschwerten Bedingungen zu ihren Zielorten kommen und Kunden keine Parkplätze in vernünftiger Distanz zu den Geschäften, in denen sie einkaufen möchten, finden, dann ist das doch keine Frage einer akademischen Interpretation, was denn Demokratie alles darf oder nicht darf, sondern eine Frage des gesunden Menschenverstandes.