Ein Morgan lebt Vergangenheit. Seine Form, das Material und die familiäre Manufaktur in Malvern stehen für einen Sportwagen, der für üppige Ausstattung nur ein Schulterzucken übrig hat.
Seit 1909 besteht die Morgan Motor Company, die mit dem Morgan 4/4 das am längsten produzierte Auto der Welt herstellt. Der Innenraum ist mit feinstem Leder ausgekleidet. Die Armaturen strahlen beruhigende Funktionalität aus und die Sitzheizung macht wohlig warm. Nachdem man den Motor fast ehrfürchtig zündet, durchfährt das erhoffte Dröhnen des Motors den Körper und entlässt den Fahrer in die brachiale Gewalt der Geschwindigkeit. Jeder Morgan ist eine Reminiszenz an die Eleganz der 30er Jahre, an Benzin, verbrannten Gummi und die eigene Vergangenheit.
Eine Böe der Sentimentalität
Den Anfang nimmt die Erfolgsgeschichte Henry Frederick Stanley Morgans, oder schlicht HFM, mit dem ab 1909 verkauften Threewheeler, den der junge Ingenieur in seiner Werkstatt entwickelt hatte. Das Gefährt wird 1910 als Zweisitzer – als erstes und einziges Automobil – im Schaufenster von Harrods ausgestellt. Bis in die 30er Jahre sind die Cyclocars beliebt und verbreitet und die Morgans stellen Rekorde auf, gewinnen Rennen und Popularität. Die ursprüngliche Werkstatt wird schnell zu klein und so lagert man einen Teil der Produktion auf das 1913 erworbene Gelände an der Picksleigh Road aus, auf dem noch heute das Werk steht. Die Weltkriege unterbrechen die Produktion, doch schafft es das kleine Unternehmen beide Male, sich anschliessend wieder auf dem Markt zu positionieren.
Methusalem auf vier Rädern
1936 veröffentlicht HFM den Morgan 4/4, einen Wagen mit vier Rädern und Zylindern, ein klassisches Automobil mit Stahlchassis auf Eschengestell, das sich schon 1937 in Le Mans mit einem 1098 c. c. Coventry Climax Motor als 13ter beweisen kann. Auch in den Jahrzehnten nach dem 2. Weltkrieg ist Morgan im Rennsport erfolgreich und 1962 krönen Christopher Lawrence und Richard Sheppard-Baron in dem Plus Four Super Sports, an dessen Entwicklung Lawrence beteiligt war, die Anstrengungen mit dem Sieg in Le Mans in der 2-Liter-Klasse (GT-Wagen 1601–2 000 cm³). Nach dem Krieg forciert Peter Morgan, HFMs Sohn, der selbst passionierter Rennfahrer, exzellenter Ingenieur und Konstrukteur ist, die Weiterentwicklung der Autos. Er übernimmt nach dem Tod des Vaters 1959 die Firma. Mit dem Morgan Plus Eight entwickelt Maurice Owen den wohl berühmtesten Klassiker, der von einem Rover-V8-Motor angetrieben wird und unter anderem Mick Jagger begeistert. Für PM sind Wachstum und Gewinnmaximierungen wie auch Komfort für den Fahrer Fremdwörter. Ein Morgan sei komfortabler als ein Motorrad und überhaupt gäbe es für einen Morgan nur einen begrenzten Liebhaberkreis. Er baut ein persönliches Händlernetzwerk auf und so übersteht die Firma die Krisen der 70er Jahre erstaunlich gut. Die Angestellten fühlen sich wohl und bleiben in Malvern. Seit 2013 führt Andrew Duncan, ein Freund des 2003 verstorbenen Peter Morgan, die Geschäfte.
Reminiszenz über moderner Technik
Heute werden an der Pickersleigh Road sieben verschiedene Autos in sorgfältiger Handarbeit produziert und seit 2009 wird sogar wieder ein Three-Wheeler angeboten. Der Methusalem ist der 4/4, der mit seinem achtzigjährigen Design als Anachronismus mit modernster Technik aufsehenerregend besticht. Die drei weiteren Klassiker haben auch heute eben so wenig von ihrer Eleganz eingebüsst. Weder der Plus 4, dessen Kotflügel und Reifen breiter als die des 4/4 sind und der einen stärkeren Motor besitzt, noch der Roadster, dessen Ford 3.7 Cyclone V6 Motor für den schnörkellosen Sportwagen einsteht. Als Kompromiss von Sport- und Stadtwagen ist der Plus 8 mit seinem BMW 4799CC V8 noch heute ein unbestechliches Statement für Extravaganz. 2 000 veröffentlichte Morgan den Aero 8 auf dem Genfer Auto-Salon, an dessen Entwicklung Christopher Lawrence beteiligt war. Das klassische Design der Firma wurde neu interpretiert und der Aero 8 steht so als modernes Flaggschiff des britischen Sportwagens und dessen Geschichte.