«Was Frauen wollen»

von Saskia Schenker

Saskia Schenker Direktorin Arbeitgeberverband Basel

«Die Frauen sind wütend», sagte Gewerkschaftsboss Pierre-Yves Maillard kürzlich mit Blick auf das Referendum gegen die AHV-Reform 21. Die Empörung von Gewerkschaften und linken Parteien wäre laut, würde ein Wirtschaftsboss ein solches Statement im Namen aller Frauen machen. Aber hier blieb der Aufschrei aus. Gewerkschafter scheinen für die Interessen aller Frauen sprechen zu dürfen. Das ärgert mich (Frau, 42), denn «DIE Meinung der Frau» gibt es bei der AHV-Reform nicht.

Die AHV beruht auf der Solidarität zwischen Reich und Arm, Jung und Alt, Mann und Frau. Von Reich zu Arm wird fast die Hälfte der gesamten AHV-Einnahmen von absolut rund 21.7 Milliarden Franken einkommensbezogen umverteilt, erläuterte Andreas Zeller, Ausgleichskassen-Experte und Alt-Nationalrat, in der Zeitschrift Penso. Und auch von Männern zu Frauen findet eine beachtliche Umverteilung statt. Heute zahlen Frauen ein Jahr weniger Beiträge ein und beziehen aufgrund der höheren Lebenserwartung im Durchschnitt rund 3.8 Jahre länger Rente. Und: Sie erhalten durchschnittlich auch leicht höhere Renten als Männer. Das hängt mit dem Verwitweten-Zuschlag und den Erziehungsgutschriften, aber auch mit dem
Ehegattensplitting zusammen. Am Ende ist aber nicht das Geschlecht entscheidend, sondern vielmehr der Zivilstand: Ledige kinderlose Frauen wie Männer, die weder einen Verwitweten-Zuschlag erhalten noch Erziehungsgutschriften an die AHV angerechnet bekommen, sind diejenigen, die im Verhältnis am meisten einzahlen müssen, um auf die maximale AHV-Rente zu kommen. Die Frau per se ist in der AHV kein Kriterium bezüglich Rentenunterschiede zu ihren Ungunsten. Im Gegenteil.

Jedoch wird die Solidarität der jungen Generation von Frauen und Männern mit den Rentnerinnen und Rentnern immer stärker strapaziert. Diese Solidarität ist Teil des Systems, aber das Ausmass erreicht besorgniserregende Höhen. So nimmt die Lebenserwartung laufend zu, die Geburtenrate ist seit den Babyboomer-Generationen deutlich gesunken und die erwerbstätige Bevölkerung wächst kaum mehr, während die Babyboomer bald in Rente gehen. «Jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer wird gemäss dem Hauptszenario der Bevölkerungsentwicklung des Bundesamts für Statistik im Jahr 2045 mit ihren / seinen Lohnabzügen eine halbe AHV-Rente finanzieren müssen!», wie Aymo Brunetti und Heinz Zimmermann in ihrem Policy Paper «Nachhaltigkeitsprobleme der Schweizer Altersvorsorge: Analyse und Ableitung eines Reformpakets» darlegen. Das ist finanziell für unsere junge
Generation nicht verantwortbar und geht in der aktuellen Diskussion um die AHV-Reform völlig unter.

Die Reform ist ein wichtiger Beitrag dazu, dass die junge Generation, Frauen wie Männer, ein besser finanziertes AHV-System erhält. Sie besteht aus der Angleichung des Rentenalters von Frauen und Männern auf 65 Jahre, wobei die ersten neun Jahrgänge von Frauen ganz gezielt von zusätzlichen Rentenzuschlägen bis zu 1 920 Franken pro Jahr profitieren – und zwar lebenslang. Die Frauen arbeiten künftig gleich lang wie die Männer, die ersten neun Übergangsjahrgänge erhalten eine höhere AHV-Rente als die Männer und ganz allgemein werden die Frauen auch künftig noch längere und höhere Renten als die Männer beziehen. Die Hauptlast der Sanierungsmassnahmen tragen die Konsumenten jeden Alters und die Betriebe durch die Erhöhung der Mehrwertsteuer.

«Was Frauen wollen» muss bei der anstehenden Abstimmung zur AHV-Reform 21 jede Frau für sich selbst entscheiden. Gleichzeitig haben wir als Gesellschaft eine Verantwortung gegenüber den jungen Generationen – denn heute verweigerte Reformen bezahlen unsere Jungen in Zukunft. «Was die Jungen wollen» wäre also die zentrale Frage.

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