Was «Stadt» alles leisten muss

Dr. Sebastian Deininger Leiter Verkehr, Raumplanung, Energie und Umwelt Handelskammer beider Basel

Rund 1.2 Millionen Menschen lebten gemäss Bundesamt für Statistik 2021 in den sechs grössten Städten der Schweiz. Dies entspricht rund 14 Prozent der Schweizer Bevölkerung. Das klingt zunächst nach wenig, bedeutet aber, dass ein Siebtel der Einwohner der Schweiz auf einem Hundert­ vierzigstel der Landesfläche lebt. Das weist auf das enorme Potenzial der Städte, aber auch
auf deren Grenzen, dieses zu heben, hin.

Die wirtschaftliche und gesell­schaftliche Dichte ist es, welche eine Stadt ausmacht – ein Schmelztiegel, in dem Ideen und Konzepte auf engem Raum aufeinandertreffen, ausgetauscht und weiterentwickelt werden. Was Städte und deren für die Volkswirtschaft wichtige Innovationsfähigkeit ausmacht, ist jedoch zugleich ihre Limitation. Denn städtischer Raum lässt sich nicht beliebig ausweiten, ohne dass das Urbane ein Stück weit verloren geht. Die Anfor­derungen an urbane Räume nehmen aufgrund der gesell­schaftlichen Pluralität und der Verbindung der Städte mit ihrem Umland laufend zu. Eine moderne Stadt muss daher un­glaublich viel leisten: Als wirtschaftliches Zentrum ihrer Agglomeration muss sie in sich vernetzt und von aussen gut erreichbar sein. Verkehrsinfrastrukturen, insbesondere Strassen und Schienen, aber auch Wasser- und Flugwege, sind dafür unverzichtbar. Städte sind nicht nur Wohn-, son­dern auch Lebenszentrum, in dem neben dem Arbeiten auch die Freizeit stattfindet. Wir brauchen also entspre­ chende Infrastrukturen wie Parks und Einkaufsmöglichkeiten. Zusätzlich sollen Städte, vor allem aufgrund des Klima­ wandels und der erwartbar heisseren Sommer, grüner werden. Die erhöhte Mehrfachnutzung des städtischen Raums birgt Konfliktpotenzial.

Was bedeutet die oben beschriebene Entwicklung für den Kanton, insbesondere für die Stadt Basel? Gehen wir davon aus, Basel solle seine Rolle als Wirtschaftsmotor der Nordwestschweiz behalten und gleichzeitig auch freizeitlichen Nutzungen ihren Platz geben. Ausserdem soll die Stadt grüner werden, um den immer heisseren Sommern entgegen­zuwirken. Dafür brauchen wir konkrete und pragmatische Lösungen fernab des abstrakten Ziels zum Abbau von Ver­ kehrsfläche für das Auto, wie es die Stadtklima-Initiativen anstreben. Möchten wir den öffentlichen Verkehr wahrhaft leistungsfähig ausbauen, müssen wir grösser denken. Die trinationale S­-Bahn Basel mit Herz­stück könnte das städtische Strassennetz tatsächlich ent­ lasten. Durch sie wird auch die erweiterte Agglomeration Teil einer urbanen Mobilitätslösung – ganz ohne den Abbau von Stras­ senfläche. Die bestehenden Grünflächen entlang der Strassen, welche sich nach zwei Wochen Sonnenschein in braune Stoppel­ wiesen verwandeln, können wir etwa durch klimaresistente Büsche in kleine grüne Oasen transformieren. Es sollte viel­ mehr um die Aufwertung beste­ hender Grünflächen statt um den Abbruch von Verkehrsräumen gehen. In zahlreichen anderen Städten finden sich hervorra­gende Beispiele für Alternativen wie eine funktionierende Fassadenbegrünung – dieses Potenzial schöpft Basel noch lange nicht aus. Auch dafür muss kein einziger Quadratmeter Strassenraum zurückgebaut werden. Nutzen wir dieses Potenzial – jetzt.

WWW.HKBB.CH