Das Erlenhof | Zentrum hat sich in den letzten Jahren zu einem Vorreiter in der sozialen Integration entwickelt. Wir sprachen mit dem Geschäftsführer Pascal Brenner darüber, wie der Erlenhof zu einem wirtschaftlichen Unternehmen geworden ist, in dem die Klienten und Mitarbeitenden weiterhin im Zentrum stehen.
Das Erlenhof | Zentrum in Reinach ist kein klassisches Kinder- und Jugendheim mehr, sondern versteht sich als Dienstleister für soziale Praxis. Die Institution bietet Dienstleistungen in den Bereichen Neuorientierung, Entwicklung und Ausbildung für jedes Lebensalter an. Für die optimale Betreuung der Klienten sind im Laufe der Jahre verschiedene Geschäftsfelder entstanden: Das Geschäftsfeld Jugendhilfe umfasst den klassischen Jugendbereich. Angebote wie Schule, Ausbildung und Berufsvorbereitung finden sich im Geschäftsfeld Bildung, eng verbunden mit dem Feld der Produktion mit Firmen von Metallbau über Gärtnerei bis hin zur Gastronomie. Ein weiteres Feld ist der Asylbereich.
In den letzten zehn bis 15 Jahren hat die Finanzierung der Jugendhilfe durch die öffentliche Hand immer weiter abgenommen und der Staat trägt nicht mehr mögliche Defizite und Risiken. Als private Stiftung trägt diese heute der Erlenhof. Für Pascal Brenner, den Leiter des Erlenhofs, bedeutete dies, auch betriebswirtschaftlich zu denken. Der «Geschäftsführer
Basel» sprach mit ihm darüber, wie die Institution die Brücke zwischen Wirtschaftlichkeit und Menschlichkeit schlägt.
«Geschäftsführer»: Vor achteinhalb Jahren haben Sie das Zentrum Erlenhof übernommen. Was hat sich seitdem hier verändert?
Pascal Brenner: Als ich 2013 in den Erlenhof gekommen bin, war es eine klassische Organisation für Kinder und Jugendliche, sprich ein Jugendheim. Mein Auftrag war es, die Organisation weiterzuentwickeln und eine Neupositionierung am Schweizer Markt zu erreichen. In gut acht Jahren sind wir von 39 Mitarbeitenden und 23 Klienten auf 217 Mitarbeitende und etwas über 300 Klienten gewachsen. Anfangs hatten wir neun Abteilungen in Reinach, heute sind 36 Abteilungen auf zehn Standorte in der Nordwestschweiz verteilt.
Wie haben Sie dieses Wachstum erreicht?
Das Unternehmensmodell ist anders orientiert als das klassische Management. Im klassischen Management gibt es eine Geschäftsleitung, die vorgibt, was die Organisation zu tun hat. Diese klassischen Systeme kommen heute allerdings zunehmend an den Anschlag, weil sich die Gesellschaft und die Mitarbeitenden verändern und die Welt immer schneller wird. Ein Unternehmen muss heute viel dynamischer und agiler sein. Genau da setzt mein Modell des Corporate Leadership an.
Was kann ich mir darunter vorstellen?
Leadership bedeutet nicht, dass ich der Organisation sage, was sie zu tun hat, sondern dass ich hinsichtlich der Philosophie und der Haltung auf der Kulturebene und weniger auf der Strukturebene agiere. Ich bewege mich auf zwei Gebieten: in der Innenwelt bei den einzelnen Mitarbeitern, dem sogenannten Mikrokosmos, und in der Aussenwelt der Gesamtgesellschaft, dem Makrokosmos. Dazwischen steht die Organisation als Mesokosmos. Corporate Leadership heisst, dass ich genau die zwei – Mikro- und Makrokosmos – miteinander in eine Kooperation bringe und schaue, wohin die Energien von selbst fliessen. Meine Hauptaufgabe ist nicht, zu führen, sondern zu ermöglichen, dass Ideen an den Tag kommen. Ich schaffe einen Raum, in dem die Mitarbeitenden das Vertrauen haben, diese automatisch einzubringen und weiterzuentwickeln. Die Menge der Ideen ergibt das Unternehmen.
Sie binden Ihre Mitarbeitenden also sehr aktiv in die Institution ein?
Ein diversifiziertes Angebot ist wie ein natürliches Biotop: Mal stirbt eine Blume, mal wächst etwas, das zuerst wie ein Unkraut erscheint, aber dann seinen wahren Wert zeigt. Ich lasse alles erstmal entstehen. Man muss ausprobieren – in den wenigsten Fällen fällt man hin, sondern man macht Erfahrungen. Im Management sollte man zu dieser kindlichen Neugier zurückkommen. Das ist ein agiles Unternehmen.
Das erfordert von Ihnen auch Risikobereitschaft …
So würde man das im klassischen Management bezeichnen. Ich nenne es Lust und Interesse – und beides zusammen ergibt Ambition und Vision.
Welche Vorteile hat dieses diversifizierte Angebot konkret für den Erlenhof?
Die Diversifizierung hat verschiedene Gründe, nicht nur betriebswirtschaftliche. Für die Integration unserer Klienten ist die Verbindung zwischen Aussen- und Innenwelt, wie im Corporate-Leadership- Modell beschrieben, bedeutend. Integration hat immer zwei Seiten: Klassischerweise denkt man, unsere Klientel muss sich integrieren, aber das macht nur 50 Prozent der Integration aus. Die anderen 50 Prozent erfordern, dass es draussen auch Platz und Bereitschaft gibt, die Türen aufzumachen und das Klientel reinzulassen. In der Branche sind wir mit unserer Art der Diversifizierung und dem Geschäftsmodell einzigartig.
Was sind Ihre Zukunftspläne für den Erlenhof?
Das Zukunftsmodel ist in der Unternehmenskultur integriert. Eine Organisation im klassischen Sinne gilt es zu organisieren, unser Modell ist jedoch ein Organismus, der wächst. Ausserdem möchten wir das Modell öffentlich machen. Ziel ist es, dass ich Unternehmen in den Fragestellungen der Visionsentwicklung, Strategieentwicklung und Nachfolgeregelung berate und begleite. Mein Know-how gehört der Gesellschaft.