«Wir sind auf dem Weg zur 15-Minuten-Stadt»

«Keine Zukunft ohne Vergangenheit» lautet das Motto von Lukas Ott.

Lukas Ott, Leiter der Abteilung Kantons- und Stadtentwicklung, über das enorme Potenzial der Stadt Basel und weshalb 2035 kaum noch jemand länger als 15 Minuten braucht, um einkaufen, arbeiten oder in den Ausgang zu gehen.

GESCHÄFTSFÜHRER*IN BASEL: Herr Ott, als Kantons-und Stadtentwickler ist es Ihre Aufgabe, das Basel von morgen zu denken. Wie fest sind Sie überhaupt noch in der Gegenwart verankert?
Lukas Ott: Wir bei der Kantons- und Stadtentwicklung denken nicht nur von der Gegenwart her, sondern sogar aus der Vergangenheit, der Geschichte, heraus. Denn es gilt auch bei uns: keine Zukunft ohne Vergangenheit. Die Ideen, die in Basel am erfolgreichsten sind und am besten funktionieren, sind jene, die nahtlos an den «genius loci», also an die gewachsene Struktur, anschliessen. Ein Beispiel ist das Stichwort «Campus». Es gibt den Novartis-Campus, den Roche-Campus, den Universitäts-Campus, den Gesundheits-Campus. Sie sind alle erfolgreich und breit akzeptiert, weil sie eben an die traditionelle Stadtstruktur anknüpfen. Im Alltag sind wir auch mit den ganz gegenwärtigen Sorgen und Nöten der Bevölkerung konfrontiert und arbeiten an konkreten Lösungen.

Der Kanton ist reich, die Lebensqualität hoch. Dennoch scheinen die wenigsten Menschen – oder zumindest Politikerinnen und Politiker – zufrieden zu sein. Woran hapert es denn?
Es liegt in der Natur der Sache, dass Klagen lauter sind als Äusserungen der Zufriedenheit. Die Umfragen über das Befinden der Bevölkerung, die wir systematisch und regelmässig durchführen, zeigen ein ganz anderes Bild, als was Sie vielleicht in der Zeitung lesen. Der grösste Teil der Bevölkerung ist zufrieden und lebt sehr gerne hier, übrigens mit stets steigenden Werten in den alle vier Jahre stattfindenden Befragungen. Geschätzt wird vom Gesundheitswesen über die Bildung, die Erholungsräume und die Verkehrsinfrastruktur bis hin zur Kultur oder zu familienergänzenden Betreuungsangeboten der ganze Mix an Angeboten. Dasselbe Bild zeigt sich auch bei den hier ansässigen Unternehmen. Erst kürzlich lobte Roche-Chef Severin Schwan vor versammelter Wirtschaftsprominenz in Zürich die Standortattraktivität Basels in höchsten Tönen.

Warum zieht es doch recht viele Schweizer*innen und Expats aus der Stadt?
Das knappste Gut sind Wohnungen. Wir können nicht mehr Menschen unterbringen, als Wohnraum vorhanden ist. Per saldo wächst der Kanton in einem gesunden Mass und wird dies mit der Entwicklung neuer Stadtteile auf den Transformationsarealen auch weiterhin tun. Volkswirtschaftlich ist es übrigens egal, ob jemand in Binningen, in Arlesheim oder in Basel wohnt. Wir sind eine wirtschaftlich und kulturell integrierte Region mit rund 800’000 Menschen, die sich über drei Länder und vier Kantone erstreckt.

Hilft es, dass die Regierung die Steuern für alle, also auch für Vermögende, senken will?
Man muss klar sehen: Das Preis-Leistungs-Verhältnis Basels ist für alle Schichten und fast jeden Wirtschaftszweig überragend. Da der Staatshaushalt netto schuldenfrei ist, fasst der Regierungsrat weitere Steuersenkungen für alle ins Auge. Es sind ja nicht die Ersten. Früher mag der Kanton Basel-Stadt steuerlich weniger attraktiv gewesen sein als manche
umliegende Gemeinde. Das hat sich jetzt teilweise umgekehrt. Wir sind aber vorsichtig und vollziehen Änderungen in kleinen Schritten. Die Einführung der Flattax hat zum Beispiel kaum Schlagzeilen gemacht, hat aber dazu geführt, dass Haushalte mit zwei Einkommen steuerlich nicht schlechter fahren als solche mit einem Einkommen. Diese Steuerreform trug wesentlich zur Gleichstellung bei.

Wohnen ist für viele Leute (zu) teuer geworden. Nun soll kostengünstiger Wohnraum gefördert werden. Reicht das, um die Menschen in der Stadt zu halten?
Eine lebendige Stadt braucht eine breite Diversität an Lebensstilen und Biographien. Zudem hat jedes Quartier seinen Charakter, muss aber in sich durchmischt sein. Unser Ziel ist, dass es keine ausgesprochen «benachteiligten» Quartiere mehr gibt. Das ist eine Generationenaufgabe, aber wir sind auf dem besten Weg dorthin. Und dann ist es nur noch eine Frage des gut gemischten und genügenden Wohnungsangebots.

Basel verfügt über sehr grosszügige Entwicklungsareale. Bis 2035 sollen darauf 30’000 neue Arbeitsplätze und Wohnungen für 20’000 Menschen entstehen. Das wäre in 13 Jahren. Ist das nicht ein wenig zu optimistisch, zumindest zeitlich gesehen?
Das ist das Potenzial, angesichts der Dynamik des Arbeitsmarktes und des Zuzugs. Auf der Zeitachse gibt es aber viele Parameter, die wir zum Teil nicht kontrollieren können. Wir können zwar die Entwicklung der Wirtschaft antizipieren, gute Rahmenbedingungen schaffen, aber nicht wirklich steuern. Dasselbe gilt für die Nachfrage nach Wohnungen.

Wie wird denn Basel im Jahr 2035 realistischerweise aussehen?
Eine Stadt mit grosser Vielfalt, aber ohne benachteiligte Quartiere und mit prosperierender Wirtschaft. Wir sind auf dem Weg zur 15-Minuten-Stadt, in der die Autos nicht verboten, sondern weitgehend überflüssig sind – dies dank öffentlichem Verkehr, Velos und sicheren Fussgängerverbindungen. Das schafft Raum für mehr Grün, das wir wegen der Klimaanpassung dringend brauchen. Zu Fuss und mit dem Fahrrad sollen alle die wichtigsten Infrastrukturen des Quartiers – von der Schule über den Einkauf bis zur Freizeit – bequem und gefahrlos in 15 Minuten erreichen können. Eine lebenswerte, weiterhin schuldenfreie Stadt mit spannenden, zeitgemässen Arbeitsplätzen, Spitzen-Bildungsangeboten, vielen Freiräumen, kulturellen und sportlichen Einrichtungen vom Feinsten. In Basel sollen 2035 – noch mehr als heute schon – auch Einheimische gerne Ferien machen und sich Kinder sowie Seniorinnen und Senioren sicher bewegen können.

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