Als gemeinnützige Wohnbaugenossenschaft engagiert sich Wohnstadt seit fünf Jahrzehnten mit Leidenschaft dafür, den Menschen in der Nordwestschweiz attraktiven und bezahlbaren Wohnraum zu bieten. Und das bei einer möglichst hohen Wohn- und Lebensqualität, die sich unter anderem durch eine gute Nachbarschaft in jedem der von ihnen realisierten Projekte ausdrückt.
INTERVIEW MIT ANDREAS HERBSTER VON GABRIELA RÖTHLISBERGER
Rein statistisch gesehen steht die Wohneigentumsquote in der Schweiz im internationalen Vergleich relativ dürftig da – lediglich rund 36 Prozent aller permanent domizilierten Wohnungen sind in den Händen einer privaten Eigentümerschaft. Die Schweiz bildet diesbezüglich unter allen europäischen Ländern das Schlusslicht. Mit dem innovativen und budgetfreundlichen Wohnmodell von Wohnstadt, dem «Wohneigentum auf Zeit», muss dies nicht immer so bleiben.
GESCHÄFTSFÜHRER*IN BASEL: Herr Herbster, Sie sind Geschäftsleiter von Wohnstadt, der zweitgrössten Wohn- baugenossenschaft in der Region, die den Ruf hat, keine typische Genossenschaft sein zu wollen. Was fasziniert Sie als Diplom-Architekt ETH/SIA am meisten daran, in diesem beruflichen Umfeld – dem genossenschaftlichen Wohnungsbau – tätig zu sein?
Andreas Herbster: Wohnungsbau ist für alle relevant und nah am Leben! Es macht Spass, im Arbeitsalltag für die Befriedigung von Grundbedürfnissen im gesamtgesellschaftlichen Kontext einen Beitrag leisten zu können.
Wohnstadt blickt auf erfolgreiche 50 Jahre «Wohnraum für jedes Budget» zurück. Was hat sich in dieser Branche in den letzten zehn Jahren zum Positiven verändert?
Geändert hat sich die Wahrnehmung der gemeinnützigen Bauträger. Nach zwei Jahrzehnten Immobilienboom findet wieder vermehrt eine Auseinandersetzung mit dem Wohnen an sich statt. Gemeinnützige Bauträger sind näher an den Wohnbedürfnissen, hier geschieht mehr Innovation als bei Projekten, bei welchen es nur um den Aspekt der Geldanlage geht.
Thema urbaner Wohnraum: Wie steht es um die aktuelle Situation in Basel? Was sind die Fakten?
In Basel ist der Wohnungsbestand vergleichsweise alt, die Mietwohnungen sind daher verhältnismässig günstig. Es wurde in den letzten 20 Jahren deutlich weniger Wohnraum als in an- deren Regionen unseres Landes erstellt. Und die bestehenden Wohnbauten sind in dieser Zeit nochmals 20 Jahre älter geworden. Wer eine moderne Wohnung sucht, hat wenig Auswahl beziehungsweise weicht in die Agglomeration aus. Die Wohnschutzgesetzgebung verhindert aktuell in Basel-Stadt zudem vernünftige Sanierungen. Hier wurden, neben der sonst schon überbordenden Bürokratie, zusätzliche Hürden geschaffen. Zum Glück für die vielen Unternehmen und Beschäftigten im Baugewerbe, aber auch für die Wohnenden wird allen Widrigkeiten zum Trotz dennoch fleissig gebaut.
Stadtleben versus Leben auf dem Land – lässt sich momentan diesbezüglich ein Trend in die eine oder andere Richtung feststellen?
Städte sind zum Leben, Arbeiten und Wohnen attraktiv. Wobei «Stadt» wenig mit den historischen Grenzen von Basel zu tun hat. Die funktionale Stadt ist deutlich grösser als der Stadtkanton. Wohnstadt ist bis in den zweiten Aggolmerationsgürtel präsent, das heisst bis nach Gelterkinden, Waldenburg oder Laufen, nicht aber in den echten ländlichen Gemeinden auf den Hügeln des Baselbiets oder des Schwarzbubenlands. Zum Wohnen «auf dem Land» fehlt es uns an Expertise. Die Prioritäten der Menschen sind glücklicherweise unterschiedlich. Preiswerte (nicht billige) Wohnangebote finden immer Nutzende!
Welche ausschlaggebenden Vorteile im Bereich Wohnungsbau respektive Sanierungen bietet das Konzept einer Genossenschaft?
Eine Genossenschaft ist langfristig preisgünstiger, denn sie ist auf Dauer angelegt. Jeder neue Wohnungsbau ist vergleichsweise teuer, das liegt an der «besseren» Ausführung (grösser, energiesparend, erdbebensicher, hindernisfrei, aber auch komplizierter). Auch im Rahmen von Verkäufen steigen die Preise. Bleibt eine Liegenschaft lange im Besitz derselben Eigentümerschaft und wird nicht zu viel Gewinn abgeschöpft, werden die Wohnungen mit der Zeit relativ günstiger. Ein zweiter, ebenfalls nicht zu unterschätzender Faktor: In einer Genossenschaft wird mehr Rücksicht auf die Bedürfnisse der Bewohnerschaft genommen und die nachbarschaftliche Aktivität gefördert. Sanierungen erfolgen, wo immer möglich, in bewohntem Zustand. Das ist zwar während der Bauzeit unangenehm, es werden aber keine Nachbarschaften auseinandergerissen und Leute dadurch zum Wegzug gezwungen.
Preiswert und attraktiv sind zwei Attribute, die auf den ersten Blick nicht so richtig zusammenpassen wollen, doch Wohnstadt realisiert genau dies seit fünf Jahrzehnten. Wie schaffen Sie das?
Für wen attraktiv? Jedes Haus, jedes Projekt kann andere Bewohnende ansprechen. Dem Aspekt der Preisgünstigkeit versuchen wir gerecht zu werden, in dem wir keine überperfekten Lösungen realisieren. Unsere grosse Erfahrung im Projektieren, Realisieren, Sanieren und Bewirtschaften von Wohnbauten hilft uns dabei. Auch versuchen wir, die Wertschöpfungsketten abzukürzen. Das investierte Geld soll am Bau ankommen – und bei denjenigen, die wirklich dafür gearbeitet haben.
Wohnstadt lanciert seit Kurzem ein innovatives Wohnmodell, das «Wohneigentum auf Zeit». Wie funktioniert dieses Modell konkret?
Man erwirbt eine Wohnung für den Zeitraum einer Generation, das heisst für 30 Jahre, und gibt sie danach wieder zurück. Der Preis beträgt damit nur 30 Prozent. Die Genossenschaft kümmert sich während und danach um den Unterhalt der Gebäudehülle und der Grundstruktur. Die Eigentümer unterhalten ihre Wohnung im Inneren selbst. Die Genossenschaft verschenkt dabei nichts. Die Eigentümer auf Zeit bezahlen auch die Kosten von uns als Investoren und Mehrheitsbesitzern. Dank des finanziellen Einsatzes ist für die Käufer weniger Eigenkapital nötig. Das Modell ist zum Beispiel für junge Familien interessant, die sich eine grössere Vier- oder Fünfzimmer-Eigentumswohnung in der Agglomeration ansonsten schlicht nicht leisten könnten.
Die Energiewende mit dem Umstieg von fossiler auf erneuerbare Wärme hält das Bauwesen sicherlich ganz schön auf Trab. Sehen Sie dies bezüglich der Realisierung von günstigen Wohnbauprojekten als komplizierte Hürde oder als eine interessante Herausforderung?
Unsere Gesellschaft muss von fossiler Energie wegkommen. Gas und Heizöl als Brennstoffe sind Auslaufmodelle. Neubauten sind so oder so auf einem guten Stand. Wohnstadt ist diesbezüglich auf einem guten Weg. Bei uns wird nur noch jede fünfte Wohnung mit Öl oder Gas betrieben und vier von fünf Wohnungen weisen gute bis sehr gute Dämmwerte auf. Leider können auch wir nicht alle Häuser auf einmal sanieren, aber da uns diese Problematik schon seit Jahren bewusst ist, arbeiten wir bereits seit längerer Zeit daran.
Wie integriert Wohnstadt den Nachhaltigkeitsgedanken im zeitgemässen Wohnungsbau?
Nachhaltigkeit bedingt die gleichmässige Berücksichtigung von sozialen, ökonomischen und ökologischen Kriterien. Eine angemessene Belegung ist beim Thema Wohnen ausserordentlich wichtig. Wir achten darauf, dass der Faktor Wohnfläche pro Person in einem vernünftigen Bereich liegt, vor allem bei der Wiedervermietung von Wohnungen.
«Nach zwei Jahrzehnten Immobilienboom findet wieder vermehrt eine Auseinandersetzung mit dem Wohnen an sich statt.»
Nachhaltig ist nicht immer auf der gleichen Ebene spektakulär. Zum Beispiel hat Wohnstadt in Binningen eine Brandruine als Vierfamilienhaus wiederaufgebaut Der Wiederaufbau reduzierte den Bodenverbrauch, denn das Haus wurde nach den aktuellen Bau- und Energievorschriften gebaut. Als Bedachungsmaterial wählten wir PV-Elemente, die Wärmeerzeugung läuft über eine Luft-Wasser-Wärmepumpe. Das sind alles Standardlösungen. Das Haus steht jetzt wieder wie vor dem Brand da, aber nun ist es ein Nullenergiehaus, das heisst, das Haus produziert in der Summe mehr Strom, als die Bewohner für Wärme und ihren Elektrizitätsverbrauch benötigen.
Hat die Genossenschaft Wohnstadt zurzeit ein besonders spannendes Projekt am Start?
Neben zwei Neubauprojekten in Arlesheim und Birsfelden beschäftigen uns aktuell die Umnutzungen von bestehender Bausubstanz. Im Städtchen Waldenburg wird das ehemalige Bezirksgericht wieder zum Wohnhaus mit vier Wohnungen und Kulturräumen im Erdgeschoss umfunktioniert. In Riehen nutzen wir das ehemalige Pflegeheim Dominikushaus in ein Wohnhaus um, und in Birsfelden wird aus einem ausgedienten Gewerbehaus bei der alten Gemeindeverwaltung ein Wohn- und Arbeitshaus mit gut zwei Dutzend Einheiten. Unsere Region braucht attraktiven Wohnraum: Wohnstadt sorgt dafür.
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